Verehrte Frau! | ||
30 | Ihren Brief vom 22 dieses habe ich richtig erhalten und daraus ersehen daß | |
mein Freund Moser bey Ihnen noch nicht meine Aufträge ausgerichtet. Ich | ||
habe ihm nemlich zur Beförderung an Sie einen Sonettenkranz geschickt, den | ||
ich con amore, aber vielleicht eben dadurch recht stümperhaft, geschrieben – | ||
Wahrlich, Sie verdienten ein besseres Schicksal! Ferner sollte Ihnen Moser | ||
35 | sagen daß ich bald selbst schriebe; und endlich daß ich Immerman in Magde- | |
Mai 1824 — HSA Bd. 20, S. 166 | ||
burg nicht sprechen konnte wegen allzurascher Abfahrt der Schnellpost, die | ||
ich nicht versäumen durfte, und daß ich also gleich nach meiner Ankunft, in | ||
Betreff Ihres Wunsches, an Immerman geschrieben. Weil ich befürchtete daß | ||
ein Brief von ihm Sie nicht mehr in Berlin antreffen möchte, so schrieb ich ihm | ||
5 | daß er, im Falle er etwas schicken wolle, sein Manusskript bis Ende dieses | |
Monaths fertig machen und solches nach Carlsruhe, mit dem Bedeuten daß es | ||
auf Ihre Veranlassung geschehe, Ihrem Bruder direkt zuschicken solle. Was | ||
mich selbst betrifft, so sagte ich Ihnen bereits in Berlin, daß ich, außer einigen | ||
zu den Zeit-Memoiren gehörigen und folglich nicht mittheilbaren Aufsätzen, | ||
10 | keinen Fetzen gutes Mspt liegen habe, und daß ich Ihnen nur einige | |
unbedeutende Gedichte, bloß mit einer Schiffer unterzeichnet, mittheilen | ||
kann. Ein Hundsfott ist wer mehr giebt als er hat, und ein Narr ist wer alles | ||
mit seinem Namen giebt. Ich will beides nicht seyn, schicke Ihnen für die | ||
Rheinblüthen beiliegende, bloß mit H. überzeichnete Gedichte, wofür ich, | ||
15 | eben weil ich sie nicht mit meinem Namen unterzeichne, durchaus kein Honorar | |
verlange. Thun Sie mir das nicht zu Leid daß Sie eigenmächtig meinen Namen | ||
unter diese Gedichte setzen; ich habe schon von Freunden zu oft solche Will- | ||
kürlichkeiten zu erdulden gehabt, als daß diese Bemerkung nicht verzeihlich | ||
wäre. Ich verspreche Ihnen auch schriftlich für den folgenden Jahrgang des | ||
20 | Allmanachs etwas recht gutes Großes zu liefern, und ich bin wohl der Mann der | |
es vermag. Der Abgang der Post ist zu nahe, als daß ich heute viel schreiben | ||
könnte, außerdem bin ich, wie Sie aus meinem ganzen Briefe sehen werden, | ||
ebenfalls sehr verstimmt, ich muß mich mit langweiligen mühsamen Arbeiten | ||
abquälen, der Todesfall meines Vetters zu Missolunghi hat mich tief betrübt, | ||
25 | das Wetter ist so schlecht daß ich fast glaube es ist von Clauren, ich habe betäu- | |
bende Anwandlungen von Pietismus, Tag und Nacht rappeln in meinem Zim- | ||
mer die Mäuse, mein Kopfübel will nicht weichen, und in ganz Göttingen ist | ||
kein Gesicht das mir gefällt. – Leben Sie wohl, und seyn Sie überzeugt daß ich | ||
Sie lieb habe. – Wenn Ich diesen Ausdruck gebrauche, so denken Sie sich | ||
30 | dabey eine fromme Waldkirche mit beseeligend hervorquellenden Orgeltönen. | |
Grüßen Sie mir Varnhagens recht herzlich, bleiben Sie gut, beten Sie oft, | ||
und vergessen Sie nicht | ||
Ihren Knecht | ||
H. Heine. | ||
35 | Herzlichen Dank, lieber Robert, für Ihre herzlichen Zeilen. Ich muß Ihnen | |
nächstens mahl einen großen Brief schreiben, jetzt drängt mich die Post. Ich | ||
bin auch sehr verstimmt – Papavian! Mamavian! – ich wollte ich könnte | ||
mich todt lachen. | ||
Juni 1824 — HSA Bd. 20, S. 167 | ||
Apropos! wenn Ihnen die Sonette an Ihre Frau nicht ganz und gar mißfallen, | ||
so lassen Sie solche in den Rheinblüthen abdrucken, mit der S c h i f f e r H. | ||
unterzeichnet, und mit einer Ihnen beliebigen Ueberschrift. Wahrlich für | ||
mich sind diese Sonette nicht gut genug, und ich darf, auf keinem Falle, mei- | ||
5 | nen Namen drunter setzen. Ich habe mir jetzt überhaupt zum Grundsatz | |
gemacht nur Ausgezeichnetes zu unterzeichnen; und meine wahren Freunde | ||
werden dieses sicher billigen. Papavian! Mamavian! | ||
In großer Eil. | ||