Lieber Heine! | ||
Ihr freundliches Schreiben v. 7 d habe ich empfangen und bezüglich der Bücher | ||
25 | von Bernhardt mit Ihrem Bruder gesprochen. Es scheint mir, daß er mit dieser | |
Commission sich nicht gerne befaßen will, was ich ihm nicht verdenken kann. | ||
Seine Abreise, meinte er, sey noch unbestimmt und wisse er nicht, ob er über | ||
Tyrol, Mailand oder welche Route er nach Paris nehmen werde. – Es liegt | ||
auf der Hand, daß er es nicht gerne übernimt: daher will ich einen andern | ||
30 | Weg, als die Eisenbahn, die Sie nicht benutzen wollen, dafür wählen. Der | |
Restaurant auf dem Dampfschiffe, »Havre« kam heute bei mir vor, etwas zu | ||
kaufen, was öfter geschieht. Dieser geht Morgen in See, nach Havre ab; ich | ||
bat ihn, er möge für Geld und gute Worte das für Sie bestimmte Paket mit | ||
nach Havre nehmen, und dort der Roulage oder Eisenbahn zur Beförderung | ||
Juni 1852 — HSA Bd. 27, S. 54 | ||
an Sie übergeben. Auf meine Frage: was ich ihm dafür schuldig sey – »was | ||
ich wollte« – so gab ich ihm 2 Mark 81 oder einen preuß. Thaler. Annehmen | ||
darf ich | ||
Sendung empfangen werden. Die einliegende Liste besagt den Inhalt und ich | ||
5 | denke, daß Sie mit denselben sehr zufrieden sind; Grabbes 100 Tage ließ ich | |
nebst Eckermanns Gesprächen 3ter noch nachfordern, die, weil Sie sie nicht | ||
kennen, nothwendiger Weise in der ersten Linie rangieren. Zwei Mal habe ich | ||
Ihren Bruder gesehen. Gebeten habe ich ihn, an Ihnen nicht herum zu doc- | ||
toren, Sie ungestöhrt gehen zu lassen, Ihre Natur in ihrer Arbeit nicht durch | ||
10 | M e d i c a m e n t e zu irritieren. Erlauben Sie, lieber Freund, Ihnen meine An- | |
sicht über den Gang Ihrer Krankheit zu sagen. Wie oft Sie Todt gesagt sind, | ||
das wissen Sie, oder wißen es auch nicht durchweg. Ihr Arzt schrieb mir vor | ||
circa 4 Jahren: Ihr Ende sey da, ganz nahe; er bereitete mich auf die Kata- | ||
strophe vor und bat, die Ihrigen darauf vorzubereiten. Gathy und andere | ||
15 | Freunde berichteten ähnlich und Sie Selbst, thaten dasselbe; aber ich hatte | |
keinen Glauben daran; mein Gefühl sagte » N e i n « dazu, ich glaubte nicht | ||
daran | ||
Ihre gute Natur und Ihre geistige Kraft, hielten aus. Die Krankheit suchte | ||
sich ihr Bette, sie lagerte sich ab; Sie gewannen Ihre Heiterkeit von vormals | ||
20 | wieder, und ietzt kehrt ebenfalls die Arbeitslust, und welche Lust zur Arbeit, | |
wieder bei Ihnen ein! – Meine Gedanken muß ich gegen Sie weiter ausspre- | ||
chen. Sie sind ein Phänomen in Ihrer Art. Sie haben Sich mit der Krankheit | ||
abgefunden; Sie können ein alter und, wie ich hoffe, ein v öll i g g e s u n d e r | ||
Mann werden!– – Ihr Zustand hat sich in den 4 bis 5 Jahren offenbar g e - | ||
25 | b e ßer t und bei der ungestöhrten Genesung kräftigt sich Ihr körperliches | |
Naturell. Ja, ich glaube, kämen Sie in die reine frische Luft, Ihr Körper würde | ||
sich ungleich mehr erholen. Die Stubenluft kann Ihnen | ||
hinderlich seyn. Wirklich die ietzige günstige Jahreszeit, sollten Sie nicht unver- | ||
sucht oder ungenutzt lassen. Ein Luftbad, wenn man solange wie Sie, nur die | ||
30 | Stubenluft genoßen hat, muß den Lungen und dem Körper ein wahres Labsal | |
seyn. Nur keine Medicamente, darum bitte ich Sie, nehmen Sie zu Sich. Die | ||
N a t u r a l l e i n hat Ihnen die guten und besten Dienste geleistet, vertrauen Sie | ||
d i e s e r Apotheke ferner, so wird Alles gut und wie ich hoffe, gut gehen! Und | ||
Ihrem Herrn Bruder werde ich so eindringlich als möglich es an das Herz | ||
35 | legen, den Doctor, der kuriren will, nicht in Thätigkeit zusetzen. | |
Zu den Büchern fügte ich Vehses Oestereich, 10 Theile; wollen Sie das | ||
Buch zurückgeben, dann laßen Sie es s. Z. an Hr Klincksieck, libraire étranger | ||
rue de Lille N0 11, für mich abgeben, der Gebrauch davon machen kann. | ||
Dann finden Sie Sallets Gedichte und Sallets Atheisten, die ich verlegt habe. | ||
Juni 1852 — HSA Bd. 27, S. 55 | ||
Auch 2 neue Deckel zu Ihren Büchern: aus Gosslar, zu der Harzreise und ein | ||
anderer, etwa zu den Neuen Gedichten in Miniatur. Hauenschild hat die Zeich- | ||
nungen dazu geliefert, die ich im voraus gravieren ließ, damit sie s. Z. zur | ||
Hand sind. | ||
5 | Vehse schrieb mir Ende Mai von London, er sprach sich auf das Freund- | |
lichste über Sie aus, völlig entzückt war er von Ihnen; und das will was sagen. | ||
Vehse ist in vielen Dingen Sonderling. Sie schreiben so prächtig über seine | ||
preußischen Könige, daß ich wohl wünschte, diesen Erguß abdrucken zu | ||
laßen. Freilich würden die Policisten dadurch gegen das Unternehmen ins | ||
10 | Gewehr gerufen werden – die bis ietzt noch schlummern und die Gefährlich- | |
keit desselben nicht ahnen – Die 3te Section bringt Hannover, die hannö- | ||
versch-englische Dynastie, Braunschweig, Hessen Cassel, Homburg, Roten- | ||
burg, Phillipsthal, Darmstadt etc | ||
schweig, der in Opposition zu seiner Gattung durchweg in Opposition steht | ||
15 | – von ihm wäre gutes Material zu erhalten –. | |
Sie haben die Absicht, über Ihre Pariser Erfahrungen und Erlebniße ein | ||
Werk zu schreiben. Ich vermuthe daher, daß Sie Ihre Artikel in der allg. | ||
Zeitung u sw. neu Aufputzen und à jour faßen werden, an denen der Um- | ||
schwung der Dinge Manches abgebröckelt haben wird, was nach Verlauf der | ||
20 | Zeit ergänzt werden muß, um frisch und mundrecht zu werden. Mir ganz | |
Recht, wenn es I h n e n Recht ist. | ||
Indeß, wenn ich auf b a l d i g e Erscheinung des 1ten Theiles hinweise, so | ||
dürfen Sie mir glauben, daß ich mit v o l l e m Grund darauf antrage. Jedes Ding | ||
bedarf seiner Zeit zum wachsen und gedeihen, um Blüthe und Frucht zu treiben. | ||
25 | Das heißt, die v o l l e Publicität zu erlangen, die ein Werk bedarf; die niemals | |
einem Buche zu Theil wird, das im l e t z t e n Drittel eines Jahres an den Markt | ||
kömmt. Viele Bücherliebhaber machen ihr Budget, ist das erzielt, kaufen sie | ||
nichts mehr, sie begnügen sich mit der L e c t üre . Ist dieser unbestreitbare | ||
Umstand richtig, dann wird niemand dagegen streiten: daß der Verleger | ||
30 | Recht hat, wenn er mit einer Publikation d r äng t , wie es bei mir geschieht, | |
lediglich d e r S a c h e w e g e n , die urbar gemacht werden soll. | ||
Die folgenden Theile, finden durch den oder die vorhergehenden Theile | ||
schon das gemachte Quartier, wenn der erste Gnade gefunden hat; bei der | ||
Fortsetzung hat das Drängen keine Noth. | ||
35 | Der Verhältniße gedenke ich, Ihnen darzulegen, daß es nicht liebhaberei, | |
sondern dringende Nothsache ist, für die r e c h t z e i t i g e Ausgabe eines Buches | ||
Sorge zutragen und kein Schriftsteller ist erhaben genug, diese Rücksichten | ||
ganz bei Seiten setzen zu dürfen, ohne darunter zu leiden. Nicht zu gedenken, | ||
daß im späten Jahre nach wirklich fernen Ländern keine Novitäten mehr ver- | ||
Juli 1852 — HSA Bd. 27, S. 56 | ||
sendet werden können; Man nimt sie im November gar nicht mehr an, um | ||
die Bücher nicht bloß spazieren zu fahren, die zur Meße | ||
müssen. Sie glauben nicht, welchen Abbruch das thut. | ||
Die Vorrede zum Salon habe ich Ihnen zur Revision gesandt. | ||
5 | Was ich Ihnen über Kietz sagte, ist wahr; wie ich überhaupt nur Wahrheit | |
zu berichten strebe. Sie werden n i e auf eine Unwahrheit bei mir gestoßen | ||
seyn; denn ich bin ein Feind jeder Lüge. | ||
Hornemann, der Ihr Bild lithographiert hat, sagte mir: ob Sie mir wol ein | ||
Daguerrotyp von Sich geben könnten? Er sagt, daß ein Mann mit seiner | ||
10 | Maschiene, die so transportabel ist, jeden Augenblick beim Sonnenschein | |
damit wirken könnte. Hätten wir ein solches Lichtbild, dann höre jeder Zweifel | ||
über Aehnlichkeit von selbst auf. Denn die Natur arbeitet treu, was man ihr | ||
zu arbeiten aufgiebt, das leistet sie ohne Fehl. | ||
Sollten Sie Gelegenheit finden ein solches anfertigen zu lassen, so bitte ich | ||
15 | Sie es mir zu besorgen. | |
Sie herzlichst grüßend! Ihr | ||
Julius Campe | ||
Adresse | ||
| ||
50 rue d'Amsterdam | ||
Paris | ||