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15 | Da sitze ich allein in Paris, wohin ich so wahr Gott lebt, nicht gereist wäre, | |
wenn ich nicht gehofft hätte Sie zu treffen. Ich suchte die Straße der durch Sie | ||
noch immer kleiner werdenden Augustiner vergeblich auf, fand aber doch | ||
Ihre Addreße. Die Dame Ihres Hauses sowie H. Renduel sagten mir, Sie | ||
würden erst in einigen Wochen zurück kehren, ich habe mithin keine Hoffnung | ||
20 | Sie zu sehen wenn ich auch meinen achtägigen Aufenthalt dahier, auf vierzehn | |
Tage ausdehnen wollte. | ||
Aus Luxus habe ich keinen Emphelungsbrief hieher mitgenommen, weil | ||
ich Ihnen Alles zu verdanken wünschte. Können Sie mich umgehend an einen | ||
der novellistischen Heroen mit einer Zeile emphelen so thun Sie es gefälligst. | ||
25 | Im Uebrigen will ich hier schon mein Theil finden, und verlange gar nicht | |
meine Zeit mit visiten zu verschwenden. | ||
ich bin entsetzlich müde weil ich fast sechs Nächte durchgereist bin. Mein | ||
Weg geht von hier | ||
besuche. Bis Montag bleibe ich übrigens jedenfalls noch hier. Sie werden mich | ||
30 | mit einer einzigen Zeile sehr erfreuen. | |
ich bin durch Belgien hieher gekommen; jedes Wirthshaus war ein Caffée | ||
des aveugles, Zerrbilder von Bettler empfingen uns an der Grenze mit einem | ||
vive Napoleon, et l'empereur de l'Autriche, vive le Roi de Prusse, vivent les | ||
Anglois. Ueberhaupt hat das Land einen widrigen Eindruck auf mich gemacht, | ||
35 | und ich freue mich daß ich in Frankreich bin. | |
August 1834 — HSA Bd. 24, S. 272 | ||
ich habe so eben in die Lotterie gesetzt. Gewinne ich so viel so besuche ich | ||
Sie in Boulogne sur mer, sonst muß ich den mir von meinem Geldbeutel vor- | ||
geschriebenen Cours folgen. | ||
Wederkopp in Oldenburg so wie die ganze Lesewelt Norddeutschlands | ||
5 | grüße Sie. Ihre Nordseebilder weiß ich nach grade auswendig | |
lieb gehabt, ehe ich die Schriften eigentlich kannte, wie gerne sehe ich Sie, | ||
nachdem ich solche verschlungen und sans comparaison so oft wiedergekäuet | ||
habe einmal wieder durch ganz Frankreich wehet die dreyfarbige Fahne. | ||
heute Abend werden hier große Feuerwerke Statt finden, und ich den Jubel des | ||
10 | Volkes sehen, den ich gestern Abend nur in Form von Kanonenschlägen im | |
Bett vernahm. | ||
ich bin entsetzlich müde. Seitdem ich Sie verfehlt habe ist mir immer abend- | ||
lich zu Muthe Wollen Sie umgehend antworten, so ist meine Addreße rue du | ||
Mail, du l'hôtel d'Anglettere, wollen Sie in 14 Tagen antworten Carlsruhe | ||
15 | poste restante. Wollen Sie gar nicht antworten, wie gewöhnlich, so schwächen | |
Sie diesmal meinen Glauben an Ihr Herz, das ich vor aller Welt immer so hoch | ||
wie Ihren Lorbeer gestellt habe. | ||
Gott befohlen | ||
Ihr | ||
20 | Theodor v Kobbe | |
Paris. d 29 July 1834 | ||
Adresse | ||
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Monsieur Henry Heine | ||
poste restante á | ||
Boulogne | ||
sur mer | ||