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| | Sünden niedergebeugt einher schleichen, wagen es, ein Zeitalter zu |
| | lästern, das vielleicht das heiligste ist von allen seinen Vorgängern |
| | und Nachfolgern, ein Zeitalter, das sich opfert für die Sünden der |
| | Vergangenheit und für das Glück der Zukunft, ein Messias unter den |
5 | | Jahrhunderten, der die blutige Dornenkrone und die schwere Kreuz- |
| | last kaum ertrüge, wenn er nicht dann und wann ein heiteres Vaude- |
| | ville trällerte und Späße risse über die neueren Pharisäer und Sadu- |
| | zäer. Die kolossalen Schmerzen wären nicht zu ertragen ohne solche |
| | Witzreißerey und Persiflage! Der Ernst tritt um so gewaltiger hervor, |
10 | | wenn der Spaß ihn angekündigt. Die Zeit gleicht hierin ganz ihren |
| | Kindern unter den Franzosen, die sehr scherzliche, leichtfertige |
| | Bücher geschrieben, und doch sehr streng und ernsthaft seyn konn- |
| | ten, wo Strenge und Ernst nothwendig wurden; z. B. Laclos und gar |
| | Louvet de Couvrai, die beide, wo es galt, mit Märtyrerkühnheit und |
15 | | Aufopferung für die Freyheit stritten, übrigens aber sehr frivol und |
| | schlüpfrig schrieben, und leider keine Religion hatten. |
| | Als ob die Freyheit nicht eben so gut eine Religion wäre, als jede |
| | andere! Da es die unsrige ist, so könnten wir, mit demselben Maaße |
| | messend, ihre Verächter für frivol und irreligios erklären. |
20 | | Ja, ich wiederhole die Worte, womit ich diese Blätter eröffnet: die |
| | Freyheit ist eine neue Religion, die Religion unserer Zeit. Wenn Chri- |
| | stus auch nicht der Gott dieser Religion ist, so ist er doch ein hoher |
| | Priester derselben, und sein Name stralt beseligend in die Herzen der |
| | Jünger. Die Franzosen sind aber das auserlesene Volk der neuen Reli- |
25 | | gion, in ihrer Sprache sind die ersten Evangelien und Dogmen ver- |
| | zeichnet, Paris ist das neue Jerusalem, und der Rhein ist der Jordan, |
| | der das geweihte Land der Freyheit trennt von dem Lande der Phili- |
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