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| | liche Anfänge; ich sage Anfänge, nicht Ursachen; denn wenn auch |
| | der Umstand, daß Frankfurt ihre gemeinschaftliche Vaterstadt war, |
| | Börnes Aufmerksamkeit zunächst auf Goethe lenkte, so war doch |
| | der Haß, der gegen diesen Mann in ihm brannte und immer leiden- |
5 | | schaftlicher entloderte, nur die nothwendige Folge einer tiefen in der |
| | Natur beider Männer begründeten Differenz. Hier wirkte keine |
| | kleinliche Schelsucht, sondern ein uneigennütziger Widerwille, der |
| | angebornen Trieben gehorcht, ein Hader, welcher, alt wie die Welt, |
| | sich in allen Geschichten des Menschengeschlechts kund giebt, und |
10 | | am grellsten hervortrat in dem Zweykampfe, welchen der judäische |
| | Spiritualismus gegen hellenische Lebensherrlichkeit führte, ein Zwey- |
| | kampf, der noch immer nicht entschieden ist und vielleicht nie aus- |
| | gekämpft wird: der kleine Nazarener haßte den großen Griechen, der |
| | noch dazu ein griechischer Gott war. |
15 | | Das Werk von Wolfgang Menzel war eben erschienen, und Börne |
| | freute sich kindisch, daß jemand gekommen sey, der den Muth zeige |
| | so rücksichtslos gegen Goethe aufzutreten. »Der Respekt« setzte er |
| | naiv hinzu, »hat mich immer davon abgehalten, dergleichen öffent- |
| | lich auszusprechen. Der Menzel, der hat Muth, der ist ein ehrlicher |
20 | | Mann, und ein Gelehrter; den müssen sie kennen lernen, an dem |
| | werden wir noch viele Freude erleben; der hat viel Courage, der ist |
| | ein grundehrlicher Mann, und ein großer Gelehrter! An dem Goethe |
| | ist gar nichts, er ist eine Memme, ein serviler Schmeichler und ein |
| | Dilettant.« |
25 | | Auf dieses Thema kam er oft zurück; ich mußte ihm versprechen, |
| | in Stuttgart den Menzel zu besuchen, und er schrieb mir gleich zu |
| | diesem Behufe eine Empfehlungskarte, und ich höre ihn noch eifrig |
| | hinzusetzen: der hat Muth, außerordentlich viel Courage, der ist ein |
| | braver, grundehrlicher Mann und ein großer Gelehrter! |
30 | | Wie in seinen Aeußerungen über Goethe, so auch in seiner Be- |
| | urtheilung anderer Schriftsteller, verrieth Börne immer seine nazare- |
| | nische Beschränktheit. Ich sage nazarenisch, um mich weder des Aus- |
| | drucks »jüdisch« noch »christlich« zu bedienen, obgleich beide Aus- |
| | drücke für mich synonym sind und von mir nicht gebraucht wer- |
35 | | den, um einen Glauben, sondern um ein Naturell zu bezeichnen. |
| | »Juden« und »Christen« sind für mich ganz sinnverwandte Worte im |
| | Gegensatz zu »Hellenen,« mit welchem Namen ich ebenfalls kein be- |
| | stimmtes Volk, sondern eine sowohl angeborne als angebildete Gei- |
| | stesrichtung und Anschauungsweise bezeichne. In dieser Beziehung |
40 | | möchte ich sagen: alle Menschen sind entweder Juden oder Hellenen, |