Hamburg d 15 April 1835 

 
 Lieber Heine!
   
20Erläuterung zu: Ihren BriefEben habe ich Ihren Brief mit dem Postzeichen vom 8ten empfangen und melde
 Erläuterung zu: Rechtfertigung v 3 dIhnen, daß ich es mit der Rechtfertigung v 3 d bewenden laße, welche Sie als
 einen Nothgedrungenen Hufschlag betrachten wollen, der übrigens die Wir-
 kung gehabt hat, daß die Leute glauben, diese Rüge sey eine abgekartete Sache
 zwischen uns gewesen: um der Censur einen öffentlichen und legitimen Hieb
25zu geben; und die in fast sämmtliche Blätter übergegangen ist, weil sie jeder
 Redaction in den Kram paßt.
   Indeß wäre mir eine Rechtfertigung aus Ihrer Feder wünschenswerth. Kostet
 es Ihnen ietzt ein Opfer, so will ich darauf nicht ferner bestehen, sondern zähle
 Erläuterung zu: mitdann auf eine andere Rechtfertigung, nämlich die, daß wir bald mit einem
30neuen Etwas hervortreten, das als die beste Ausgleichung gelten würde.
 Erläuterung zu: zu Ihren Beschuldigungen  Was soll ich zu Ihren Beschuldigungen sagen? – Der Salon ging hier erst
 am 6 Febr ein, – er war verspätet – Mit der allgem. Versendung habe ich
 Erläuterung zu: anfangs Decbr Order gegebenanfangs Decbr Order gegeben Ihnen die Ihnen gebührenden Exp. pr Einschluß
 Heideloff & Campe in Paris zu senden, diese mußten Strasburg paßiert seyn, wie
35Erläuterung zu: Ich habeich Vorrath erhielt. An ein Fehlen kann ich nicht denken. Ich habe der Hof-
 
  April 1835 — HSA Bd. 24, S. 308
 
 buchDruckerei sofort geschrieben und ihr alle Teufel auf den Hals geschickt.
 Die Antwort wird ergeben ob und wo gefehlt ist. Die Versendung ist Medio
 Erläuterung zu: Die Druck NotizJanuar von Altenburg besorgt. Die Druck Notiz habe ich s. Z, um Mißver-
 Erläuterung zu: Wegen den Liedernständniße zu vermeiden, im Original dahin gesandt. Wegen den Liedern fürch-
5 tete ich einen Fehler. Mir dürfen Sie ihn nicht zur Last legen, denn wahrlich,
 ob ich einen Bogen mehr oder weniger gebe, daran liegt mir wahrlich nichts,
 ich gebe lieber mehr als weniger.
 Erläuterung zu: Im ersten  Im ersten und 2ten Buche ist sicherlich nichts gestrichen; nur am Schluße
 Erläuterung zu: die Censurbogendes letzten ist es geschehen. Doch die Censurbogen müßen mir herbei, woraus
10sich der Vergleich zum Mspte ergeben muß, wer recht hat. Daß der
 Schluß des 3ten Buches nicht durchgehen würde, bei keinem Censor, das sah
 ich gleich ein, wie ich das Mspt erhielt und theilte meine Besorgniß des-
 wegen Wienbarg mit. Genug die Druckerey soll und muß mir Rechenschaft
 ablegen über ihr Verfahren, das ich nicht gutheiße und wogegen ich andere
15Erläuterung zu: bereits f###252;hrteKlagen außer diesen ernstlich zu führen habe und bereits führte, was sich auf
 das technische bezieht.
 Erläuterung zu: Ihre Meinung  Ihre Meinung, als habe  i c h  gestrichen: was soll die bedeuten? Ich bin nie
 verkäuflich gewesen und werde es nimmer und für keinen Preis, es sey Geld
 oder Orden! Unabhängig von aeußern Einfluß wie ich war, denke ich auch
20mein Leben zu beschließen. Einfach in meiner Lebensweise wie ich war, be-
 harre ich! Also kein Dünkel irgend einer Art hat mich beschlichen, der Welt
  m e i n e  Ansichten oder  m e i n e n  Geschmak aufzudringen und in diesem Sinne
 etwas zu ändern und einen selbstständigen Autor zu modeln, wie ich wol Un-
 Erläuterung zu: die Haidegewaschenes Zeug genießbar gemacht habe, dadurch, daß ich die Haide aus
25einem Mspte gestrichen habe; wie ein treuer Verwalter habe ich immer auf
 den Nutzen und das Beste der mir anvertraueten Pfleglinge gesehen und für
 deren Gedeihen gesorgt, aber nie habe ich etwas verwahrloßt!
   Warum sollte ich bei  I h n e n  damit den Anfang machen?
   Wenn wir uns auch früher und 10 Jahre lang gekannt haben und mehr oder
30Erläuterung zu: 10 Jahrminder in einander verwachsen sind, so sind diese 10 Jahr in ebenso viele
 Jahre der Freundschaft verwandelt, die, wenn ich auch so viel älter wurde,
 mich soviel bedächtiger, aber nicht leichtfertig machen konnten. Weg also mit
 solchen Ideen! denn bis zum letzten Lebensfunken, denke ich, sollen meine
 Grundsätze nicht wanken, sondern sich unter allen Umständen, wie sich ge-
35 bührt, bewähren. Hätte ich wißen können, daß Heideloff & Campe sich beim
 Erläuterung zu: ein PrelloPorto Ansatz ein Prello erlaubten, ich würde durch diese Menschen Ihnen
 nichts gesandt haben, was wir bei dem Dampfböten ietzt so leicht umgehen
 Erläuterung zu: ein St###252;ckchen Verlegerkönnen. Die Leute waren doch Ihnen befreundet, ein Stückchen Verleger von
 Ihnen, wer zweifelte da wol, daß diese weniger honett gegen Sie handelten wie
 
  April 1835 — HSA Bd. 24, S. 309
 
 Erläuterung zu: Wegenich es gegen Sie gethan? Wegen der Geschichte mit dem Buch der Lieder –
 bin ich mit dem Pariser Campe durchaus zerfallen; wie es gekommen, weiß
 Erläuterung zu: seine Frauich nicht, genug es ist so. Er brachte in voriger Oster Messe seine Frau mit
 nach Leipzig; sie mir vorzustellen beliebte ihm nicht; ich habe also auch keine
5Notiz von ihr genommen – Was soll man von ihm sagen, wie das nennen?
 Unbeholfenheit ist der gelindeste Ausdruck dafür. Seit ihr Verlag verboten
 Erläuterung zu: Ihre Geschichte der Literaturwird Ihre Geschichte der Literatur nicht mehr expediert? Öfter sind Zettel an
 Erläuterung zu: sende Ihnenmich gelangt. Ich selbst begehrte 4 Exp. und sende Ihnen selbigen, worauf
 eigenhändig die Notiz steht –« Wird als verbotener Artikel längst nicht mehr
10expediert« – Wißen Sie davon?
   Die Censur in Deutschland hat sich aller Verhältniße bemächtigt, und der
 einzige Weg ist, einen dummen Censor zu finden, um etwas Ungewöhnliches
 durchzuschleppen und gelingt das dem Einen oder Andern, dann ist der Teufel
 los und das Löchlein wird gleich mit einer Instruction zugestopft, oder mit der
15Concession der Druckerei, diese zu nehmen, gedrohet. –
   Hier besteht noch die 21 Bogen Freiheit; wollte ich sie  i e t z t   e i n m a l  be-
 nutzen, sie würde uns sogleich genommen! – Deswegen gebrauche ich sie
 garnicht, sondern denke an eine Zeit, wo die Strenge nachläßt, dann haben wir
 unser Recht noch, das wir wieder benutzen und urbar machen können. Und
20davon werden Sie später Guthaben; es ietzt auf das Spiel zu setzen, wäre Toll-
  heit. Sind Sie den deutschen Verhältnißen so sehr entfremdet, daß sie diese
 Erläuterung zu: Wienbargs ThierkreisZustände nicht kennen? Wienbargs Thierkreis habe ich baar bezahlt und seit
 Erläuterung zu: einen Strich gezogenJuny liegen. Zwei Censoren haben über das ganze Buch einen Strich gezogen.
 Mit der Herausgabe muß ich warten und so könnte ich Ihnen ein Dutzend
25Artikel nennen, die nicht geboren werden können. Mann muß sich in die Zeiten
 schicken! – Um nicht alles zu verlieren.
 Erläuterung zu: die Regierungen  Sie meinen, die Regierungen halten was von Ihnen? den Teufel auch Im
 Erläuterung zu: Ihrer Sache wegenvorigen Jahre wurde ich von der preuß. Regierung, nur allein Ihrer Sache
 wegen, wann und wo gedruckt, bis aufs Blut gepeinigt. Hinter meinem
30Rücken wurden alle hiesigen Buchdrucker deswegen inquiriert, was ich sehr
 übel nahm und mich wegen dem bewiesenen Mißtrauen nachdrücklichst aus-
 sprach. Ich frage, zeugt dieses Verfahren etwa dafür? Nun gingen alle Unter-
 suchungen an die Druckorte Ihrer Schriften und die Armen Teufel von Cen-
 Erläuterung zu: da###223;soren erhielten einen solchen Vorrath von Nasen, daß der Altenburger ab-
35dankte und dieser Zeit seines Lebens daran zu kauen haben mögte. So sieht es
 Erläuterung zu: in den geheimen Instructionenaus! Und in den geheimen Instructionen ist Ihr Name wol nicht genannt?
 bewahre! – Sie sind ja viel zu sehr gelitten und von gewißen Leuten geliebt!
 Ihnen wird man die Wahrheit sagen? ja verlaßen Sie Sich nur auf die Ver-
 sicherungen, die nichts kosten und wo Vorkehrungen getroffen sind, daß Sie
 
  April/Mai 1835 — HSA Bd. 24, S. 310
 
 nichts sagen dürfen, ohne daß den Censor und den Verleger und Drucker der
 Teufel holt. Es hat sich alles ganz vortrefflich gestalltet, wie Sie sehen oder
 Erläuterung zu: Wegen der Gevatterschaftsehen werden! – Wegen der Gevatterschaft kann ich noch nichts berichten,
 denn es ist noch nichts Kleines da, was mich eben genug chicaniert, da ich
5zur Meße muß und diese Geschichte so gerne hinter dem Rücken hätte.
   Zum Schluß wiederhole ich, die HofbuchDruckerey soll mir Rede stehen,
 die Censurbogen herausgeben; – das Leben werde ich ihr sauer machen,
 damit in Zukunft, sind Versuche mich zu hintergehen gemacht, dergleichen
 so verleidet werden, daß sie an diesem Versuch ein für alle Male genug hat:
10Sie aber werde ich genau mit dem Ergebniß dieser Untersuchung bekannt
 machen, damit Sie richten, wo gefehlt ist und wie ich rein von jeglichen Ver-
 suchen hierbei bin!
 
Nun leben Sie wohl lieber Heine! Ihr
 
Julius Campe
   
  
Adresse
  Monsieur Dr H. Heine
 Addr Rue des petites Augustins
 à l'hôtel d'Espagne No 4
 a
 Paris
15