Lieber Heine! | ||
20 | Eben habe ich Ihren Brief mit dem Postzeichen vom 8ten empfangen und melde | |
Ihnen, daß ich es mit der Rechtfertigung v 3 d bewenden laße, welche Sie als | ||
einen Nothgedrungenen Hufschlag betrachten wollen, der übrigens die Wir- | ||
kung gehabt hat, daß die Leute glauben, diese Rüge sey eine abgekartete Sache | ||
zwischen uns gewesen: um der Censur einen öffentlichen und legitimen Hieb | ||
25 | zu geben; und die in fast sämmtliche Blätter übergegangen ist, weil sie jeder | |
Redaction in den Kram paßt. | ||
Indeß wäre mir eine Rechtfertigung aus Ihrer Feder wünschenswerth. Kostet | ||
es Ihnen ietzt ein Opfer, so will ich darauf nicht ferner bestehen, sondern zähle | ||
dann auf eine andere Rechtfertigung, nämlich die, daß wir bald mit einem | ||
30 | neuen Etwas hervortreten, das als die beste Ausgleichung gelten würde. | |
Was soll ich zu Ihren Beschuldigungen sagen? – Der Salon ging hier erst | ||
am 6 Febr ein, – er war verspätet – Mit der allgem. Versendung habe ich | ||
anfangs Decbr Order gegeben Ihnen die Ihnen gebührenden Exp. pr Einschluß | ||
Heideloff & Campe in Paris zu senden, diese mußten Strasburg paßiert seyn, wie | ||
35 | ich Vorrath erhielt. An ein Fehlen kann ich nicht denken. Ich habe der Hof- | |
April 1835 — HSA Bd. 24, S. 308 | ||
buchDruckerei sofort geschrieben und ihr alle Teufel auf den Hals geschickt. | ||
Die Antwort wird ergeben ob und wo gefehlt ist. Die Versendung ist Medio | ||
Januar von Altenburg besorgt. Die Druck Notiz habe ich s. Z, um Mißver- | ||
ständniße zu vermeiden, im Original dahin gesandt. Wegen den Liedern fürch- | ||
5 | tete ich einen Fehler. Mir dürfen Sie ihn nicht zur Last legen, denn wahrlich, | |
ob ich einen Bogen mehr oder weniger gebe, daran liegt mir wahrlich nichts, | ||
ich gebe lieber mehr als weniger. | ||
Im ersten und 2ten Buche ist sicherlich nichts gestrichen; nur am Schluße | ||
des letzten ist es geschehen. Doch die Censurbogen müßen mir herbei, woraus | ||
10 | sich der Vergleich zum Mspte ergeben muß, wer recht hat. Daß der | |
Schluß des 3ten Buches nicht durchgehen würde, bei keinem Censor, das sah | ||
ich gleich ein, wie ich das Mspt erhielt und theilte meine Besorgniß des- | ||
wegen Wienbarg mit. Genug die Druckerey soll und muß mir Rechenschaft | ||
ablegen über ihr Verfahren, das ich nicht gutheiße und wogegen ich andere | ||
15 | Klagen außer diesen ernstlich zu führen habe und bereits führte, was sich auf | |
das technische bezieht. | ||
Ihre Meinung, als habe i c h gestrichen: was soll die bedeuten? Ich bin nie | ||
verkäuflich gewesen und werde es nimmer und für keinen Preis, es sey Geld | ||
oder Orden! Unabhängig von aeußern Einfluß wie ich war, denke ich auch | ||
20 | mein Leben zu beschließen. Einfach in meiner Lebensweise wie ich war, be- | |
harre ich! Also kein Dünkel irgend einer Art hat mich beschlichen, der Welt | ||
m e i n e Ansichten oder m e i n e n Geschmak aufzudringen und in diesem Sinne | ||
etwas zu ändern und einen selbstständigen Autor zu modeln, wie ich wol Un- | ||
gewaschenes Zeug genießbar gemacht habe, dadurch, daß ich die Haide aus | ||
25 | einem Mspte gestrichen habe; wie ein treuer Verwalter habe ich immer auf | |
den Nutzen und das Beste der mir anvertraueten Pfleglinge gesehen und für | ||
deren Gedeihen gesorgt, aber nie habe ich etwas verwahrloßt! | ||
Warum sollte ich bei I h n e n damit den Anfang machen? | ||
Wenn wir uns auch früher und 10 Jahre lang gekannt haben und mehr oder | ||
30 | minder in einander verwachsen sind, so sind diese 10 Jahr in ebenso viele | |
Jahre der Freundschaft verwandelt, die, wenn ich auch so viel älter wurde, | ||
mich soviel bedächtiger, aber nicht leichtfertig machen konnten. Weg also mit | ||
solchen Ideen! denn bis zum letzten Lebensfunken, denke ich, sollen meine | ||
Grundsätze nicht wanken, sondern sich unter allen Umständen, wie sich ge- | ||
35 | bührt, bewähren. Hätte ich wißen können, daß Heideloff & Campe sich beim | |
Porto Ansatz ein Prello erlaubten, ich würde durch diese Menschen Ihnen | ||
nichts gesandt haben, was wir bei dem Dampfböten ietzt so leicht umgehen | ||
können. Die Leute waren doch Ihnen befreundet, ein Stückchen Verleger von | ||
Ihnen, wer zweifelte da wol, daß diese weniger honett gegen Sie handelten wie | ||
April 1835 — HSA Bd. 24, S. 309 | ||
ich es gegen Sie gethan? Wegen der Geschichte mit dem Buch der Lieder – | ||
bin ich mit dem Pariser Campe durchaus zerfallen; wie es gekommen, weiß | ||
ich nicht, genug es ist so. Er brachte in voriger Oster Messe seine Frau mit | ||
nach Leipzig; sie mir vorzustellen beliebte ihm nicht; ich habe also auch keine | ||
5 | Notiz von ihr genommen – Was soll man von ihm sagen, wie das nennen? | |
Unbeholfenheit ist der gelindeste Ausdruck dafür. Seit ihr Verlag verboten | ||
wird Ihre Geschichte der Literatur nicht mehr expediert? Öfter sind Zettel an | ||
mich gelangt. Ich selbst begehrte 4 Exp. und sende Ihnen selbigen, worauf | ||
eigenhändig die Notiz steht –« Wird als verbotener Artikel längst nicht mehr | ||
10 | expediert« – Wißen Sie davon? | |
Die Censur in Deutschland hat sich aller Verhältniße bemächtigt, und der | ||
einzige Weg ist, einen dummen Censor zu finden, um etwas Ungewöhnliches | ||
durchzuschleppen und gelingt das dem Einen oder Andern, dann ist der Teufel | ||
los und das Löchlein wird gleich mit einer Instruction zugestopft, oder mit der | ||
15 | Concession der Druckerei, diese zu nehmen, gedrohet. – | |
Hier besteht noch die 21 Bogen Freiheit; wollte ich sie i e t z t e i n m a l be- | ||
nutzen, sie würde uns sogleich genommen! – Deswegen gebrauche ich sie | ||
garnicht, sondern denke an eine Zeit, wo die Strenge nachläßt, dann haben wir | ||
unser Recht noch, das wir wieder benutzen und urbar machen können. Und | ||
20 | davon werden Sie später Guthaben; es ietzt auf das Spiel zu setzen, wäre Toll- | |
heit. Sind Sie den deutschen Verhältnißen so sehr entfremdet, daß sie diese | ||
Zustände nicht kennen? Wienbargs Thierkreis habe ich baar bezahlt und seit | ||
Juny liegen. Zwei Censoren haben über das ganze Buch einen Strich gezogen. | ||
Mit der Herausgabe muß ich warten und so könnte ich Ihnen ein Dutzend | ||
25 | Artikel nennen, die nicht geboren werden können. Mann muß sich in die Zeiten | |
schicken! – Um nicht alles zu verlieren. | ||
Sie meinen, die Regierungen halten was von Ihnen? den Teufel auch Im | ||
vorigen Jahre wurde ich von der preuß. Regierung, nur allein Ihrer Sache | ||
wegen, wann und wo gedruckt, bis aufs Blut gepeinigt. Hinter meinem | ||
30 | Rücken wurden alle hiesigen Buchdrucker deswegen inquiriert, was ich sehr | |
übel nahm und mich wegen dem bewiesenen Mißtrauen nachdrücklichst aus- | ||
sprach. Ich frage, zeugt dieses Verfahren etwa dafür? Nun gingen alle Unter- | ||
suchungen an die Druckorte Ihrer Schriften und die Armen Teufel von Cen- | ||
soren erhielten einen solchen Vorrath von Nasen, daß der Altenburger ab- | ||
35 | dankte und dieser Zeit seines Lebens daran zu kauen haben mögte. So sieht es | |
aus! Und in den geheimen Instructionen ist Ihr Name wol nicht genannt? | ||
bewahre! – Sie sind ja viel zu sehr gelitten und von gewißen Leuten geliebt! | ||
Ihnen wird man die Wahrheit sagen? ja verlaßen Sie Sich nur auf die Ver- | ||
sicherungen, die nichts kosten und wo Vorkehrungen getroffen sind, daß Sie | ||
April/Mai 1835 — HSA Bd. 24, S. 310 | ||
nichts sagen dürfen, ohne daß den Censor und den Verleger und Drucker der | ||
Teufel holt. Es hat sich alles ganz vortrefflich gestalltet, wie Sie sehen oder | ||
sehen werden! – Wegen der Gevatterschaft kann ich noch nichts berichten, | ||
denn es ist noch nichts Kleines da, was mich eben genug chicaniert, da ich | ||
5 | zur Meße muß und diese Geschichte so gerne hinter dem Rücken hätte. | |
Zum Schluß wiederhole ich, die HofbuchDruckerey soll mir Rede stehen, | ||
die Censurbogen herausgeben; – das Leben werde ich ihr sauer machen, | ||
damit in Zukunft, sind Versuche mich zu hintergehen gemacht, dergleichen | ||
so verleidet werden, daß sie an diesem Versuch ein für alle Male genug hat: | ||
10 | Sie aber werde ich genau mit dem Ergebniß dieser Untersuchung bekannt | |
machen, damit Sie richten, wo gefehlt ist und wie ich rein von jeglichen Ver- | ||
suchen hierbei bin! | ||
Nun leben Sie wohl lieber Heine! Ihr | ||
Julius Campe | ||
Adresse | ||
Monsieur Dr H. Heine | ||
Addr Rue des petites Augustins | ||
à l'hôtel d'Espagne No 4 | ||
a | ||
Paris | ||
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