Lieber Heine! | ||
Eben, am Weihnachtstage, empfange ich Ihre Bescherung v 19 d die ich g l e i c h | ||
beantworte, ohne mit einem Menschen gesprochen zu haben; ohne Einfluß | ||
30 | anderer Person, u n t e r deren Herrschaft Sie mich glauben. – Aber Fehl- | |
geschoßen darin; Fehlgeschoßen in Ihren Vermuthungen, als ginge ich einen | ||
unwürdigen Weg Ihnen gegenüber! – | ||
Was ich Ihnen über die Censur Verweigerung in D a r m s t a d t sagte, hat | ||
seine Richtigkeit Drei Briefe (mit dem Postzeichen) und das Conclusum der | ||
35 | Censur Commission dort, kann ich Ihnen vorlegen. Wünschen Sie diese zu | |
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sehen? – Ich verschmähe es mich darüber weiter zu vertheidigen; erstaune | ||
aber über das Mißtrauen, das Sie mir in diesem Punkte zollen. | ||
Das Mspt Ihrer Gedichte liegt heute noch in der Reimerschen Druckerey in | ||
Grimma, welche dem Hofrath Phillippi gehört, an den ich es sandte, wie ich | ||
5 | es von Darmstadt zurück bekam. Gutzkow hatte es einen Tag; ich hatte an | |
diesem Tage einen alten Freund bei mir, mit dem ich nach Blankenese gefahren | ||
war; doch hatte ich den Brief an die Druckerey geschrieben und die Order | ||
zurückgelaßen, Abends 6 Uhr das Mspt von Gutzkow zu holen und mit | ||
Schnellpost abgehen zu laßen; das war geschehen, als ich den andern Tag | ||
10 | Gutzkow sah, ihn fragte, was er zu dem 2ten Theile sagte? – Er wollte mit der | |
Sprache nicht heraus. Endlich drang ich in ihn. Nun fragte er: »wollen Sie | ||
Heine ruinieren? dann laßen Sie das drucken. Seine Akten sind noch r e i n und | ||
seine Sache steht g u t ; geben Sie diesen Theil, dann besitzen seine Feinde, was | ||
sie gegen ihn s u c h e n und ihm g e r n e aufbürden mögten, aber bis ietzt nicht | ||
15 | bringen können.« – | |
Da meine Absicht nicht die seyn kann: »Sie zu ruinieren« so sagte ich ihm: | ||
»er habe m i r das gesagt, meine er es ehrlich, so möge e r es I h n e n sagen« weil | ||
m e i n e Worte über Sie es nicht vermögten, Sie von diesem Vorhaben abzu- | ||
bringen. So entstand seine Zuschrift an Sie und der weitere Verlauf. Schämen | ||
20 | würde ich mich, hätte ich anders als s o gegen Sie handeln können. | |
Diese Vorrede bestimmten Sie für das Jahrbuch; n i c h t s als die verhandelte | ||
Passage über Moericke, über die Sie einverstanden waren, ist h i e r gestrichen | ||
worden. Mir schien es, daß etwas fehlte; ich verlangte daher das Mspte zur | ||
Vergleichung, wie Sie aus dem Fragmente des Briefes vom Factor der Drucke- | ||
25 | rei sehen, den ich darauf gehörig gefegt habe. Zuvor schrieb mir Phillippi (der | |
Schriftsteller und Buchdruckerei Besitzer) Ihr Aufsatz a l l e i n fände Anstand | ||
beim Censor. Ich hatte befohlen, und meine Briefe an die Druckerei bezeugen | ||
es, wenn Sie sie sehen wollen, daß ich erklärte, wenn etwas gestrichen | ||
würde, worauf ich gar nicht gefaßt war, sollte d e r Artikel w e g b l e i b e n . Ich | ||
30 | verlangte das Mspt nur zu m e i n e r Ueberzeugung aus e i g e n e n Antriebe; | |
das Buch ist h i e r erst vor 4 Tagen ausgegeben. | ||
Bei dieser Gelegenheit erlauben Sie mir eine Bemerkung Ihnen machen zu | ||
dürfen, die mich schon oft bei Ihnen unangenehm berührte und der a l l e i n | ||
Sie so viele Censur Plackereien zu schreiben dürfen. Es ist dieses, der bei | ||
35 | Ihnen stereotyp gewordene Satz, daß S i e bei der Censur Anstände finden | |
etc. Genug, jede Vorrede bringt dasselbe – und erzeugt dasselbe, nämlich | ||
Censur Quälereien! – So ein Censor ist, in der Regel, ein borniertes Vieh. | ||
Denkt, wenn S i e es Selbst sagen, welchen Gefahren e r entgegen geht –: | ||
wird ängstlich und in der Angst streicht er darauf los, was nur den Geruch | ||
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von einer Nase hat, die er sich damit erwerben könnte! – Begreifen Sie denn | ||
nicht: daß S i e S i c h S e l b s t Schlagbäume und Hemmschuhe zur Unzeit | ||
d a d u r c h erbauen? – Muß ich diese Räthsel Ihnen lösen, die so auf der Ober- | ||
fläche liegen! – das sind Renomagen, die an solchen Stellen ganz am unrechten | ||
5 | Orte sich befinden! | |
Was ein Hasenfuß von Gesandten Ihnen im höflichen Salon Diskurse sagt, | ||
d a s glauben Sie? – So ein Schlingel soll sich zu Hause umblicken – im Vater- | ||
lande – umsehen, dann würde er wißen: daß j e d e Stadt einen Censor hat und | ||
jeder ist in seiner Gattung a l l m äch t i g ! – Wollen die Leute was thuen, dann | ||
10 | giebt es nur ein Mittel, es für a l l e zu thun; – nämlich das alberne Verbot auf | |
zu heben, das ietzt noch in voller Kraft besteht und so lange besteht, bis es | ||
durch ein n e u e s Gesetz entkräftet ist. Sie sind Jurist und werden das beßer | ||
begreifen wie ich es Ihnen sagen kann. | ||
Am 14 Octbr schrieb ich Ihnen über Delloye; darauf bin ich ohne Antwort. | ||
15 | Vielleicht hat Ihr Aerger Schuld, daß Sie desselben nicht gedenken, denn ich | |
glaube, darin alles gesagt zu haben, was Hr D. bedurfte. Was ich früher, | ||
in Septbr, sagte erwähnen Sie. Was kann ich dafür, wenn ich über Beuermann | ||
und Wihl mehr sagte, anders denke, wie es Ihnen paßte; – Kurz, einer Eph- | ||
mere, die ich mehr aus Scherz als sonst etwas, als Coujonade behandelt und die | ||
20 | ich längst vergeßen habe. | |
Wihl ist eine Klatsche. Vor 14 Tagen habe ich ihn gehörig in der Cour ge- | ||
habt, weil der Mensch, der mit den ganzen schreibenden Unrath hier Frère et | ||
Compagnie ist, sich erdreistete, mich in eine Klatschrei zu bringen, wo ich | ||
eine Figur spielen sollte, die sich am Gängelbande Gutzkows und Wihls leiten | ||
25 | ließe! – Es war ein dicker Knäul von Dummheiten, die ich mit e i n e m H i e b e | |
z e r l e g t e . Wahr ist es, daß ich aus Bequemlichkeit, belletristische Mspte | ||
Gutzkow, dem Kritiker von Profeßion, zur Durchsicht gab und seinem Rathe | ||
folgte, weil e r mir u n v e r d äch t i g und v e r s t änd i g erschien. Nach dieser | ||
Sage aber, »daß i c h vom Telegraphen a b h äng i g ; – daß ich d e s w e g e n thun | ||
30 | müße, was Gutzkow wollte« –: sprach ich mich gegen Gutzkow so ohngefähr | |
aus: daß ich vor 4 Monaten ihn bei Gelegenheit einer Klatscherei zwischen | ||
Wienbarg gebeten, den Wihl als Handlanger, in seine Arbeiten, aber nicht in | ||
u n s e r e Verhältniße, Vorhaben und dergl. blicken zu laßen: er könne das Maul | ||
n i c h t h a l t e n und würde uns compromittieren; und Pläne, die mühevoll ent- | ||
35 | worfen worden, dadurch zu Schanden machen. Gutzkow habe nicht gefolgt; | |
»nun ginge Wihl umher, sage: am Telegraphen habe e r sich (Gutzkow) eine | ||
Sinecure geschaffen; ich müße u sw. –« Er habe Mspte gelesen und mir refe- | ||
riert. wenn ich diese Dienste so theuer, nämlich mit einem bischen guten Ruf | ||
und zwar so bezahlen sollte, als sey ich sein Hampelmann, dann wäre das viel | ||
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zu theuer bezahlt; – von nun an würde ich es so damit halten, wie ich es stets | ||
gehalten; ich werde diese Arbeit selbst machen. Er wiße, daß ich ihn erst seit | ||
1834 kenne; bis dahin hätte ich o h n e i h n e x i s t i e r t , und zwar beßer wie | ||
i e t z t ! ich wollte daher meine alte Weise befolgen! – Am Telegraphen habe | ||
5 | i c h im ersten Jahre nicht verdient; es wird sich die Wage halten, was ich Aus- | |
gab und einnehme; es könnte meine Existenz nicht touchiren, weil ich vom | ||
G e w i n n mir noch keine Biersuppe spendieren könnte. – | ||
Wihl ist der k l e b r i g s t e und e i t e l s t e Mensch, den ich kenne. Wie oft | ||
habe ich ihn auf solcher Fährte ertappt und ausgelacht. Alle unsere erbärm- | ||
10 | lichen Winkel-Blätter lobhudeln ihn auf eine ungeheure Weise. Er ist D i c h t e r ; | |
– steht durch Gutzkow mit allen Reputationen in Verkehr, die unsere Mauer | ||
betreten –. Gleichwohl verkehrt er in der Unterwelt; der Redacteur des Neuig- | ||
keitsträgers und Aufwärts bis zu Runkel, sind seine Gönner und – loben | ||
ihn! | ||
15 | Dabei ist er ohne Menschen- und Welt Kunde; sündigt aus Dummheit | |
mehr wie aus bösen Willen. Er ist einer von der Gattung von denen man sagt: | ||
»mit meinen Feinden werde ich fertig, – aber meine F r e u n d e « etc. | ||
So denke ich, nach g e m a c h t e r e i g e n e r Erfahrung über ihn. Wie weit er | ||
es bei mir bringen wird, das sehen Sie gewiß ein. | ||
20 | Gutzkow ist ein offener Mensch; wenigstens hat er das Bedürfniß, überall | |
zu sprechen und spricht über alles, mehr als ich es gutheiße. Ja ich gebe zu, | ||
daß Gutzkow so zu ihm gesprochen haben mag. Daß er m i c h folgsamer be- | ||
trachtet, abhängiger von ihm und seinem Telegraphen ansieht wie es der Fall | ||
ist. Denn die Leute kennen mich noch nicht genug; – wißen mich nach allen | ||
25 | Seiten nicht zu taxieren, weil ich noch nicht in der Lage war: ihnen die Spitze | |
zu bieten. Den Staar habe ich nun wol etwas gestochen. Wenn ich folgte, | ||
geschah es: weil es sich mit meinen Intereßen vertrug, oder um ein freund- | ||
liches Beisammenseyn zu schaffen; nicht ahnend, daß ich so verkannt und be- | ||
urtheilt werden sollte. | ||
30 | Ich berühre das Capitel, damit Sie sehen, daß ich meinen eigenen Gang gehe | |
und, wenn Sie wollen, künftig k e i n e n Buchstaben v o r d e r A u s g a b e sehen | ||
laßen werde, wenn Sie es nicht wünschen. Wir sind älter Zusammen geworden, | ||
wie ich es vielleicht, nach solchen Erscheinungen, mit jenen werden dürfte. | ||
Weshalb ich auf dem: Werda! – stehe. | ||
35 | Ihnen ein frohes Neujahr wünschend und herzlich grüßend! Ihr | |
Julius Campe | ||
Adresse | ||
Monsieur Dr H. Heine | ||
Rue des Martyrs No 23. | ||
a | ||
Paris | ||
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