Hamburg d 25 Decbr 1838 

 
 Lieber Heine!
   
 Erläuterung zu: Ihre BescherungEben, am Weihnachtstage, empfange ich Ihre Bescherung v 19 d die ich  g l e i c h 
 beantworte, ohne mit einem Menschen gesprochen zu haben; ohne Einfluß
30anderer Person,  u n t e r  deren Herrschaft Sie mich glauben. – Aber Fehl-
  geschoßen darin; Fehlgeschoßen in Ihren Vermuthungen, als ginge ich einen
 unwürdigen Weg Ihnen gegenüber! –
 Erläuterung zu: Was ich  Was ich Ihnen über die Censur Verweigerung in  D a r m s t a d t  sagte, hat
 seine Richtigkeit Drei Briefe (mit dem Postzeichen) und das Conclusum der
35Censur Commission dort, kann ich Ihnen vorlegen. Wünschen Sie diese zu
 
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 sehen? – Ich verschmähe es mich darüber weiter zu vertheidigen; erstaune
 aber über das Mißtrauen, das Sie mir in diesem Punkte zollen.
 Erläuterung zu: Mspt Ihrer Gedichte  Das Mspt Ihrer Gedichte liegt heute noch in der Reimerschen Druckerey in
 Grimma, welche dem Hofrath Phillippi gehört, an den ich es sandte, wie ich
5es von Darmstadt zurück bekam. Gutzkow hatte es einen Tag; ich hatte an
 Erläuterung zu: einen alten Freunddiesem Tage einen alten Freund bei mir, mit dem ich nach Blankenese gefahren
 war; doch hatte ich den Brief an die Druckerey geschrieben und die Order
 zurückgelaßen, Abends 6 Uhr das Mspt von Gutzkow zu holen und mit
 Schnellpost abgehen zu laßen; das war geschehen, als ich den andern Tag
10Gutzkow sah, ihn fragte, was er zu dem 2ten Theile sagte? – Er wollte mit der
 Sprache nicht heraus. Endlich drang ich in ihn. Nun fragte er: »wollen Sie
 Heine ruinieren? dann laßen Sie das drucken. Seine Akten sind noch  r e i n  und
 seine Sache steht  g u t ;  geben Sie diesen Theil, dann besitzen seine Feinde, was
 sie gegen ihn  s u c h e n  und ihm  g e r n e  aufbürden mögten, aber bis ietzt nicht
15bringen können.« –
   Da meine Absicht nicht die seyn kann: »Sie zu ruinieren« so sagte ich ihm:
 »er habe  m i r  das gesagt, meine er es ehrlich, so möge  e r  es  I h n e n  sagen« weil
  m e i n e  Worte über Sie es nicht vermögten, Sie von diesem Vorhaben abzu-
 Erläuterung zu: seine Zuschriftbringen. So entstand seine Zuschrift an Sie und der weitere Verlauf. Schämen
20würde ich mich, hätte ich anders als  s o  gegen Sie handeln können.
 Erläuterung zu: Diese Vorrede  Diese Vorrede bestimmten Sie für das Jahrbuch;  n i c h t s  als die verhandelte
 Erläuterung zu: Passage ###252;ber MoerickePassage über Moericke, über die Sie einverstanden waren, ist  h i e r  gestrichen
 worden. Mir schien es, daß etwas fehlte; ich verlangte daher das Mspte zur
 Erläuterung zu: Fragmente des BriefesVergleichung, wie Sie aus dem Fragmente des Briefes vom Factor der Drucke-
25Erläuterung zu: schrieb mir Phillippi rei sehen, den ich darauf gehörig gefegt habe. Zuvor schrieb mir Phillippi (der
 Schriftsteller und Buchdruckerei Besitzer) Ihr Aufsatz  a l l e i n  fände Anstand
 Erläuterung zu: meine Briefebeim Censor. Ich hatte befohlen, und meine Briefe an die Druckerei bezeugen
 es, wenn Sie sie sehen wollen, daß ich erklärte, wenn etwas gestrichen
 würde, worauf ich gar nicht gefaßt war, sollte  d e r  Artikel  w e g   b l e i b e n .  Ich
30verlangte das Mspt nur zu  m e i n e r  Ueberzeugung aus  e i g e n e n  Antriebe;
 das Buch ist  h i e r  erst vor 4 Tagen ausgegeben.
   Bei dieser Gelegenheit erlauben Sie mir eine Bemerkung Ihnen machen zu
 dürfen, die mich schon oft bei Ihnen unangenehm berührte und der  a l l e i n 
 Sie so viele Censur Plackereien zu schreiben dürfen. Es ist dieses, der bei
35Ihnen stereotyp gewordene Satz, daß  S i e  bei der Censur Anstände finden
 etc. Genug, jede Vorrede bringt dasselbe – und erzeugt dasselbe, nämlich
 Censur Quälereien! – So ein Censor ist, in der Regel, ein borniertes Vieh.
 Denkt, wenn  S i e  es Selbst sagen, welchen Gefahren  e r  entgegen geht –:
 wird ängstlich und in der Angst streicht er darauf los, was nur den Geruch
 
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 von einer Nase hat, die er sich damit erwerben könnte! – Begreifen Sie denn
 nicht: daß  S i e   S i c h   S e l b s t  Schlagbäume und Hemmschuhe zur Unzeit
  d a d u r c h  erbauen? – Muß ich diese Räthsel Ihnen lösen, die so auf der Ober-
 fläche liegen! – das sind Renomagen, die an solchen Stellen ganz am unrechten
5Orte sich befinden!
 Erläuterung zu: Was  Was ein Hasenfuß von Gesandten Ihnen im höflichen Salon Diskurse sagt,
  d a s  glauben Sie? – So ein Schlingel soll sich zu Hause umblicken – im Vater-
 lande – umsehen, dann würde er wißen: daß  j e d e  Stadt einen Censor hat und
 jeder ist in seiner Gattung  a l l m äch t i g !  – Wollen die Leute was thuen, dann
10Erläuterung zu: das alberne Verbotgiebt es nur ein Mittel, es für  a l l e  zu thun; – nämlich das alberne Verbot auf
 zu heben, das ietzt noch in voller Kraft besteht und so lange besteht, bis es
 durch ein  n e u e s  Gesetz entkräftet ist. Sie sind Jurist und werden das beßer
 begreifen wie ich es Ihnen sagen kann.
 Erläuterung zu: schrieb ich Ihnen  Am 14 Octbr schrieb ich Ihnen über Delloye; darauf bin ich ohne Antwort.
15Vielleicht hat Ihr Aerger Schuld, daß Sie desselben nicht gedenken, denn ich
 glaube, darin alles gesagt zu haben, was Hr D. bedurfte. Was ich früher,
 in Septbr, sagte erwähnen Sie. Was kann ich dafür, wenn ich über Beuermann
 und Wihl mehr sagte, anders denke, wie es Ihnen paßte; – Kurz, einer Eph-
 mere, die ich mehr aus Scherz als sonst etwas, als Coujonade behandelt und die
20ich längst vergeßen habe.
   Wihl ist eine Klatsche. Vor 14 Tagen habe ich ihn gehörig in der Cour ge-
 habt, weil der Mensch, der mit den ganzen schreibenden Unrath hier Frère et
 Compagnie ist, sich erdreistete, mich in eine Klatschrei zu bringen, wo ich
 eine Figur spielen sollte, die sich am Gängelbande Gutzkows und Wihls leiten
25ließe! – Es war ein dicker Knäul von Dummheiten, die ich mit  e i n e m   H i e b e 
  z e r l e g t e .  Wahr ist es, daß ich aus Bequemlichkeit, belletristische Mspte
 Gutzkow, dem Kritiker von Profeßion, zur Durchsicht gab und seinem Rathe
 folgte, weil  e r  mir  u n v e r d äch t i g  und  v e r s t änd i g  erschien. Nach dieser
 Sage aber, »daß  i c h  vom Telegraphen  a b h äng i g ;  – daß ich  d e s w e g e n  thun
30müße, was Gutzkow wollte« –: sprach ich mich gegen Gutzkow so ohngefähr
 aus: daß ich vor 4 Monaten ihn bei Gelegenheit einer Klatscherei zwischen
 Wienbarg gebeten, den Wihl als Handlanger, in seine Arbeiten, aber nicht in
  u n s e r e  Verhältniße, Vorhaben und dergl. blicken zu laßen: er könne das Maul
  n i c h t   h a l t e n  und würde uns compromittieren; und Pläne, die mühevoll ent-
35worfen worden, dadurch zu Schanden machen. Gutzkow habe nicht gefolgt;
 »nun ginge Wihl umher, sage: am Telegraphen habe  e r  sich (Gutzkow) eine
 Sinecure geschaffen; ich müße u sw. –« Er habe Mspte gelesen und mir refe-
 riert. wenn ich diese Dienste so theuer, nämlich mit einem bischen guten Ruf
 und zwar so bezahlen sollte, als sey ich sein Hampelmann, dann wäre das viel
 
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 zu theuer bezahlt; – von nun an würde ich es so damit halten, wie ich es stets
 gehalten; ich werde diese Arbeit selbst machen. Er wiße, daß ich ihn erst seit
 1834 kenne; bis dahin hätte ich  o h n e   i h n   e x i s t i e r t ,  und zwar beßer wie
 Erläuterung zu: Am Telegraphen i e t z t !  ich wollte daher meine alte Weise befolgen! – Am Telegraphen habe
5 i c h  im ersten Jahre nicht verdient; es wird sich die Wage halten, was ich Aus-
 gab und einnehme; es könnte meine Existenz nicht touchiren, weil ich vom
  G e w i n n  mir noch keine Biersuppe spendieren könnte. –
   Wihl ist der  k l e b r i g s t e  und  e i t e l s t e  Mensch, den ich kenne. Wie oft
 habe ich ihn auf solcher Fährte ertappt und ausgelacht. Alle unsere erbärm-
10 lichen Winkel-Blätter lobhudeln ihn auf eine ungeheure Weise. Er ist  D i c h t e r ; 
 – steht durch Gutzkow mit allen Reputationen in Verkehr, die unsere Mauer
 Erläuterung zu: Redacteur des Neuigkeitstr###228;gersbetreten –. Gleichwohl verkehrt er in der Unterwelt; der Redacteur des Neuig-
 Erläuterung zu: bis zu Runkelkeitsträgers und Aufwärts bis zu Runkel, sind seine Gönner und – loben
 ihn!
15  Dabei ist er ohne Menschen- und Welt Kunde; sündigt aus Dummheit
 mehr wie aus bösen Willen. Er ist einer von der Gattung von denen man sagt:
 Erläuterung zu: mit meinen Feinden»mit meinen Feinden werde ich fertig, – aber meine  F r e u n d e « etc.
   So denke ich, nach  g e m a c h t e r   e i g e n e r  Erfahrung über ihn. Wie weit er
 es bei mir bringen wird, das sehen Sie gewiß ein.
20  Gutzkow ist ein offener Mensch; wenigstens hat er das Bedürfniß, überall
 zu sprechen und spricht über alles, mehr als ich es gutheiße. Ja ich gebe zu,
 daß Gutzkow so zu ihm gesprochen haben mag. Daß er  m i c h  folgsamer be-
 trachtet, abhängiger von ihm und seinem Telegraphen ansieht wie es der Fall
 ist. Denn die Leute kennen mich noch nicht genug; – wißen mich nach allen
25Seiten nicht zu taxieren, weil ich noch nicht in der Lage war: ihnen die Spitze
 zu bieten. Den Staar habe ich nun wol etwas gestochen. Wenn ich folgte,
 geschah es: weil es sich mit meinen Intereßen vertrug, oder um ein freund-
 liches Beisammenseyn zu schaffen; nicht ahnend, daß ich so verkannt und be-
 urtheilt werden sollte.
30  Ich berühre das Capitel, damit Sie sehen, daß ich meinen eigenen Gang gehe
 und, wenn Sie wollen, künftig  k e i n e n  Buchstaben  v o r   d e r   A u s g a b e  sehen
 laßen werde, wenn Sie es nicht wünschen. Wir sind älter Zusammen geworden,
 wie ich es vielleicht, nach solchen Erscheinungen, mit jenen werden dürfte.
 Weshalb ich auf dem: Werda! – stehe.
35  Ihnen ein frohes Neujahr wünschend und herzlich grüßend! Ihr
 
Julius Campe
   
  
Adresse
  Monsieur Dr H. Heine
 Rue des Martyrs No 23.
 a
 Paris
 
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