Hochgeehrtester Herr! | ||
Am 1ten März versprachen Sie Gedichte für den Musenalmanach nächstens zu | ||
senden. Es sind seitdem 2 Monate verstrichen, und Sie werden entschuldigen, | ||
Mai 1836 — HSA Bd. 24, S. 397 | ||
daß wir Sie an Ihr gütiges Versprechen hiemit dringend erinnern. Der Druck | ||
des Musenalmanachs sollte nun beginnen, und ein längeres Ausbleiben Ihrer | ||
Beiträge würde uns in große Verlegenheit setzen. Sie werden uns hoffentlich | ||
einer solchen nicht aussetzen wollen. | ||
5 | Daß Ihr Manuscript recht reichlich ausfallen möge, müssen wir um so mehr | |
wünschen, da Sie uns die ganze Schwäbische Dichterschule zu ersetzen haben, | ||
die durch Ihr Bildniß verscheucht ist, und an dem nächsten Jahrgange nicht | ||
Theil nehmen will. Uhland selbst hat sich dabei leidend verhalten, und Schwab | ||
sich als einen Ehrenmann gezeigt, den nur die Bestürmung seiner Freunde von | ||
10 | seiner Unparteilichkeit abgebracht hat. So hat also Chamisso, obwohl er sich | |
schon lange dem Tode näher glaubt als dem Leben, die Redaction allein be- | ||
halten. Wir würden Ihnen von diesem Zwiespalt nichts verrathen haben, wenn | ||
nicht öffentliche Blätter schon ein Geschwätz davon gemacht und erzählt | ||
hätten, Ihre Aeußerungen über Uhland haben seine Schüler bewogen, sich von | ||
15 | einem Musenalmanach loszusagen, der Ihr Bildniß bringe. | |
In großer Hoffnung von Ihnen recht viel, und zwar r e c h t b a l d , zu sehen, | ||
mit ausgezeichneter Hochachtung | ||
Ew Wohlgeboren | ||
ergebenste | ||
20 | Weidmann'sche Buchh | |
Leipzig 9 Mai | ||
1836 | ||