Lieber Heine! | ||
Das Stück spielt sehr glücklich für Sie: – immer so weiter! | ||
Was Sie mir in Ihrem Schreiben vom Napoleons Tage (15/8) melden, be- | ||
richtete bereits die Leipziger Zeitung, die gleichzeitig hier ein traf. Dieser Arti- | ||
35 | kel ist wüst geschrieben –; er geht in die heutige Zeitung –, ich machte | |
August 1841 — HSA Bd. 25, S. 336 | ||
Runckel aufmerksam darauf, und bat ihn genießbarer zu behandeln. Dazu | ||
wird Sichels Brief noch gefügt. | ||
Allein, lieber Heine, verkennen Sie ja nicht, wie die Stimmung in Deutsch- | ||
land ist; vielen Leuten ist es leid, daß nicht alles wahr ist – man gönnte Ihnen | ||
5 | diese Lection und sagt: hat er das nicht bekommen, hat er es doch verdient. | |
Andere flüchten sich hinter ein Sprichwort »Wo Rauch ist –, ist auch Feuer! | ||
– Sie kennen die Deutschen, man streitet für und gegen; – der sagt Kolloff | ||
und Schuster haben es nicht gesehen, man nahm die Leute wahrscheinlich in | ||
Anspruch, weil sie mehr der Welt bekannt sind. Hamberger aber wird es wol | ||
10 | mit angesehen haben, er ist Commis, ein Frankfurter der wahrscheinlich mit | |
Strauß gegangen ist. Strauß kann nichts jurist. beweisen, so steht die Parthie | ||
für Heine auf einen günstigen Gebiete Dadurch, daß Sie ernste Schritte thaten, | ||
ist man begütigt. Der sonderbaren Form wegen, wie jenes Zeugniß abgefaßt | ||
war, erklärte ich von Anfang an, das Ding für ein Machwerk. Riessers Freund | ||
15 | – Dr Cohn – trat damit seiner Zeit etwas höhnisch zu mir, gegen den ich Sie | |
straf stets vertheidigt hatte und fragte: »was sagen Sie nun«? – daß man in | ||
Paris für ein Beefstaek und eine Flasche Wein sehr viel bezeugt erhalten kann! | ||
war meine Antwort. Gestern war er bei mir, als Sichels Brief ankam – ich er- | ||
innerte ihn daran. | ||
20 | Ein Dr Westphal, der mit ihm von Helgoland gekommen war, und der mit | |
Ihnen gleich zeitig studiert haben will, hat ihm aus jener Zeit von Ihren »Sich | ||
nicht gemacht haben« erzählt – und so gerügt, daß Sie in die Literatur point | ||
d'honneur einführen wollten. Sehen Sie solche Dinge werden in jeder Gesell- | ||
schaft, jeden Caffehause u sw verhandelt. | ||
25 | Ich halte es für meine Pflicht Ihnen das alles so zu berichten, damit Sie die | |
Verstimmung kennen lernen und darnach Ihre fernern Dispositionen treffen, | ||
ja alle Vorsicht gebrauchen in Ihrem Thun, damit nicht irgend eine Fuge ein | ||
Winkelchen bleibe, in das die Malcontanten sich flüchten und von da aus | ||
weiter versteckt raisoniren. Ietzt sind Sie bei der Wäsche –: waschen Sie Sich | ||
30 | ordentlich! Schreiben können Sie, das weiß jeder, aber handeln, entschloßen | |
handeln daß bezweifelt man so gerne! – Schaffen Sie Sich Ruhe – stopfen | ||
Sie den Leuten die Mäuler, das können Sie i e t z t so leicht und billig haben, | ||
wie es den Anschein hat. | ||
Wie kann Strauß sich als Beleidigten hinstellen wollen! Hat er nicht die Briefe | ||
35 | Börnes gegen Sie drucken laßen sind die frühern Journalistischen Dinge von | |
ihm nicht veranlaßt? Nun die Ohrfeigen Lüge – ist das keine I h n e n zu ge- | ||
fügte Beleidigung! Ich dachte Ihre Secundanten könnten ihn das leicht be- | ||
greiflich machen und dafür giebt es nur Pistolen. | ||
Wenn Sie diese Dinge literairisch behandeln, dann hüten Sie Sich vor aller | ||
August 1841 — HSA Bd. 25, S. 337 | ||
Renomage, die würde einen schlechten Eindruck machen; die Nackten That- | ||
sachen in einfach würdigem Styl gehalten thun allgemeine Wirkung und werden | ||
Sie richtiger zu dem gewünschten Ziele führen, als schlügen Sie den Ton an, | ||
wie Sie es gegen Menzel gethan was man bei dieser Gelegenheit sehr oft | ||
5 | gegen Sie Selbst gekehrt hat. | |
Wir beide dürfen über alles sprechen, was uns gegenseitig angeht, etwa wie | ||
Frau und Mann; die innigsten Intereßen verbinden uns und da darf ich Ihnen | ||
nichts verschweigen, namentlich in einer Zeit wie die ietzige ist, wo so viel | ||
auf dem Spiele steht. Habe ich doch 100 Mal gehört »von Heine kann man kein | ||
10 | Buch mehr in die Hand nehmen« –. »Mit Heine bin ich für alle Zeit fertig«! | |
Diese und ähnliche Entschlüße haben, Gott sey Dank, ietzt schon einen | ||
Stoß bekommen und so steht es ietzt in Ihrer Macht, jeden Schatten zu tilgen | ||
und zwar wird das am besten, nach meiner Ansicht durch Ihre Secundanten ge- | ||
schehen können: also trachten Sie dahin, daß von dieser Seite ein Aktenstück | ||
15 | erfolgt, das in Optima Forma jeden Anspruch genügt. Sagen Sie den Leuten, | |
daß Ihre Sache keine gewöhnliche sey, sondern daß die gesammten deutschen | ||
Völker auf den Ausgang dieser ungeheuren gegen Sie geübten Büberey die | ||
Augen richteten – in Eigener Sache könnten Sie nicht wohl als Ihr Advocat | ||
auftreten. Sie bedürften der umsichtigsten Vorsicht um jeden Zweifel zu be- | ||
20 | seitigen den der geweckte und gereizte Parthei Geist erfinden könnte – um | |
vor Ihrem Volke gereinigt zu erscheinen! Die Herren werden das einsehen und | ||
in diesem Sinne ihre Anlage machen und consequent verfolgen. Geschieht das | ||
mit Scharfsinn und Gewandheit, dann, lieber Heine, ist alles in der Reihe, und | ||
ein Hundsvott ist der, der dann noch das Maul aufzuthun wagt. | ||
25 | Geschieht das nicht, bleiben Sie der Spielbal für die Canaille, so sich ärgert | |
und Sie beneidet, das Sie mehr Genie wie sie besitzen, – Neid –, purer Neid | ||
ist die Mutter die das geboren hat. | ||
Ich bin gestöhrt und muß abbrechen. Sende den Artikel aus dem heutigen | ||
Correspondenten. | ||
30 | Wegen dem Buch der Lieder bitte ich um einen r a s c h e n b a l d i g e n Ent- | |
schluß. Das Buch fehlt bereits zu lange: ich kann das nicht verantworten! | ||
Sie herzlichst grüßend | ||
Ihr | ||
Julius Campe | ||
Adresse | ||
Monsieur Dr H. Heine | ||
Rue Bleue N. 25 | ||
a | ||
Paris | ||
August 1841 — HSA Bd. 25, S. 338 | ||