Liebster Campe! | ||
Ich weiß, daß trotz unserer jüngsten Differenz Sie mir doch als Freund bey- | ||
15 | stehen und in der delikatesten Sache wende ich mich an Ihre kluge Thätigkeit. | |
Sie werden die Sache leicht begreifen. Ich schicke Ihnen zwey Briefe: der eine | ||
ist ein Brief von Carl Heine, den Sie mir gefälligst aufbewahren wollen und | ||
bey Ihrer Ehre! niemand zeigen. Sie sehen daraus, was man mit mir vorhat. | ||
Ich glaube, daß wenn ich mich knebeln lasse, mir die Pension nach wie vor | ||
20 | ausbezahlt würde, man will mich nur in Händen haben, daß ich wegen des | |
Testamentes schweige und daß ich gegen die Foulds, nemlich Carl Heines | ||
Frau und Schwiegermutter, deren Interessen ich gekreuzt, nichts unternehme. | ||
Dann schicke ich Ihnen einen Brief für Carl Heine, den Sie lesen und in Ab- | ||
schrift für mich aufbewahren müssen. Das Original schicken Sie unverzüg- | ||
25 | lich versiegelt an Carl Heine. Bey Leibe keiner Seele ein Wort. – Ich schreibe | |
in der größten Eile. So viel werden Sie merken, daß ich einen Todeskampf | ||
beginne und neben den Gerichten auch die öffentliche Meinung für mich | ||
gewinnen will, im Fall Carl Heine nicht nachgiebt. Ich will mein Recht, und | ||
müßte ich es mit meinem Tode besiegeln. Sprechen Sie mit Sieveking, daß | ||
Januar 1845 — HSA Bd. 22, S. 152 | ||
er durch Halle, der dabey viel verschuldet, meinen Vetter zu stimmen suche. | ||
Wissen Sie sonst jemand, der mit ihm rede? Ich schreibe in der größten Eil. | ||
Est periculum in mora. | ||
In einigen Tagen schicke ich Ihnen eine Vollmacht für einen Advokaten. | ||
5 | Wen wähle ich? Ich glaube Carl Heise. Dann schicke ich die auf Beweis- | |
führung bezüglichen Papiere, kurz, ich werde ohne Zaudern handeln, obgleich | ||
ich krank und elend bin und kaum die Feder in der Hand halten kann. Aber | ||
welch ein Unglück, ich provozirte wahrlich nichts. Welche Mistkarren von | ||
Dreck – an letzteren bin ich gewöhnt, – Andere sind nicht daran gewöhnt | ||
10 | und bedenken sich vielleicht, ehe sie das Signal geben, wobey der Pöbel ein | |
Gaudium hat. Ich bin auf Alles gefaßt – Erbittert durch unerhörte Dinge. | ||
Seit zwey Tagen sitzt meine Frau wie ein Marmorbild am Kamin und spricht | ||
kein Wort: das Unerhörte hat sie wie versteinert. Ich bin nie so entschlossen | ||
gewesen wie jetzt und die klugen Leute haben eine große Dummheit begangen, | ||
15 | daß sie mich nicht geschont. Handeln Sie für mich. | |
Ihr Freund | ||
H. H e i n e . | ||
Vergessen Sie nur nicht von dem Brief an Carl Heine eine Abschrift zu | ||
behalten. Conferiren Sie gefälligst mit meiner Schwester. | ||
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