Mein lieber Heine! | ||
15 | Das Neue Jahr ist eben verkündigt, ich will Ihnen den ersten Gruß zu diesem | |
Feste bringen und Ihnen recht viel und herzliches Glück wünschen! | ||
Trocken saß ich und wollte nicht mit dem Glase in der Hand, sondern mit | ||
der Feder in den Fingern es erwarten, weil ich mit manchen Arbeiten im Rück- | ||
stande bin und das Rechnungswesen nun wie ein Wolkenbruch auf mich los | ||
20 | stürtzt; ich muß also aufräumen, damit ich in den nächsten 3 bis 4 Wochen | |
frei bin und nicht mehr nachzuholen brauche. | ||
Vom Salon habe ich ietzt erst 12 Bogen oder 192 Seiten in AushängeBogen | ||
empfangen. Wie empfindlich, wie unangenehm, wie verdrießlich und fatal es | ||
mir ist, das Buch nicht mehr in diesen verfloßenen oder geschloßenen Jahre | ||
25 | ausgeben zu können, mag ich Ihnen nicht sagen! und was ist Ursache davon? – | |
Nichts anderes, als die späte Sendung des Msptes! – Thuen Sie das in Zukunft | ||
niemals wieder; richten Sie das anders und so ein: wie der Gegenstand es er- | ||
fordert; ich habe stets durch die späte Austheilung den ausgemachtesten Nach- | ||
theil, dadurch, daß das ausgegebene Werk nicht in die Hände aller Kunden der | ||
30 | verschiedenen Buchhandlungen wandert. Von großen Städten rede ich nicht | |
sowohl, als den Leuten, die auf ihren Gütern oder an klein Orten leben, die | ||
nicht in täglicher Berührung einer Buchhandlung sind. Solchen Leuten kömmt | ||
es dann nur auf ausdrückliche Bestellung zu G e s i c h t , und das thut nur ein | ||
kleiner, sehr kleiner Theil des Publicums. Denn versende ich wirklich im | ||
35 | Decbr, ehe das an die entfernten Orte gelangt, ist der Januar fast verstrichen. | |
Januar 1835 — HSA Bd. 24, S. 285 | ||
Ende Februar wird für die Ostermeße schon remittiert; was nützt eine Frist | ||
von 6 bis 8 Wochen für den Absatz eines Buches, wohlverstanden in Deutsch- | ||
land, wo wir keinen Centralpunkt, wie London für England und Paris für | ||
Frankreich besitzen? | ||
5 | Bei diesem Buche habe ich nun das Loos, daß ich die Zahlung aller Kosten | |
Honorar, Druck Papier u sw ietzt leisten muß und dafür, nach der einmal be- | ||
stehenden Usance, Oster Meße 1836 die Zahlung erst in Anspruch nehmen | ||
darf. Wäre ich ein reicher Mann, dann wäre mir das ganz gleichgültig, ob ich | ||
ein Jahr länger oder kürzer im Vorschuß stände. So aber bin ich das leider | ||
10 | nicht, sondern nur durch eine vernünftige Benutzung meiner Mittel, durch ein | |
ununterbrochenes Umwandeln derselben, daß ich diese rasch bewege, gelingt | ||
es mir, immer mobil zu seyn, und so stecken diese 3 000 Mark die der Band | ||
circa kostet auf eine gute Zeit f e s t gekeilt, das Sie so leicht hätten anders | ||
wenden können, wenn Sie nur einen Blick m e i n e n Verhältnißen gegönnt | ||
15 | hätten! – | |
Ihr Wechsel Mark Banco 350. ist vorgekommen und bezahlt worden. Ihre | ||
Frei Exp. erhalten Sie durch Heideloff & Campe. | ||
Ihren Brief vom 29 Novbr erhielt ich, aber den darin angemeldeten umständ- | ||
lichen Brief erwarte ich noch, der mich mit Ihren Plänen für 1835 bekannt | ||
20 | machen sollte. Ich erwarte diese, und Preßen und Papier harren des Winkes, | |
wie ich bereit bin, auf die Hörner zu nehmen, was Sie zweckmäßig für die | ||
Gegenwart finden; Sie wißen wie es in Deutschland steht – es ist also über- | ||
flüßig auf diese Zustände hinzuweisen. | ||
Sie schrieben mir von einem Mspte von Bornstädt und lobten das Werk. | ||
25 | Ich habe es empfangen und gehe eine Wette darauf ein, daß Sie es nicht gelesen | |
haben; wenigstens hatten Sie es nicht gelesen, wie Sie jenes Urtheil schrieben. | ||
Es ist ein ganz ordinaires Werk; Beginnt so commun wie möglich mit den | ||
gewöhnlichsten Trivialitäten und beginnt erst genießbar zu werden, wie er in | ||
Algier Boden faßt. Eine Vorrede befindet sich dabei, ich mögte sie Ihnen des | ||
30 | Spaßes wegen abschriftlich senden; und meinen Kopf setze ich zum Pfande, | |
Sie haben so etwas noch nirgends an Gehaltlosigkeit und Nachläßigkeit ge- | ||
funden. Diese schreckt offenbar jeden ab, der die Lectüre zu beginnen Lust | ||
hat. | ||
Der Mann schickt mir das Mspt, schreibt auf das Cuvert »Mspt. 500 fr | ||
35 | Werth« und frankiert nicht. – Mspt zahlt 4faches Porto, als D o c u m e n t e ; | |
ich habe barbarisches Porto dafür zahlen müßen. Auf dem Zoll wollte man | ||
mich strafen, daß ich den Börsenpreis nicht davon angegeben hätte. Ich | ||
schickte das Mspt hin und bat, man möge es vom beeidigten Mackler taxieren | ||
Januar 1835 — HSA Bd. 24, S. 286 | ||
laßen; ich wollte mich seiner Taxation unterwerfen. Man blickte hinein, lacht | ||
über den Bull und die Sache war beendigt. | ||
Der Autor hat nicht gesagt: ob er Honorar will und welches? Laßen Sie | ||
Sich gefälligst seine bescheidenen Ansprüche sagen, dann will ich das Opus | ||
5 | mit den Augen betrachten, die dazu erforderlich sind und mein Entschluß | |
soll rasch gefaßt seyn, denn in einen Briefwechsel laße ich mich deswegen | ||
nicht ein, dazu scheint es mir nicht genug und wenn der Herr Autor über Eng- | ||
land schreiben will, muß er anderes Zeug nehmen, sonst wird es nichts. Die | ||
Statistischen Notizen und derg. gehören mehr in einen Itinirair | ||
10 | Dr Wienbarg hat sich an die Redaction der kritischen Blätter der Börsenhalle | |
gemacht, die er weiter führt; Wurm ist ietzt abgetreten. Die Bogen so weit ich | ||
sie habe hat Wienbarg bekommen, der gleich mit einer Recension hervor- | ||
rücken wird die dann aus andern Augen sehen wird, wie wenn sie von Wurm | ||
abgefaßt wäre. | ||
15 | In dem Mspte habe ich zB geändert Leipnitz in Leibnitz; Spinosa in Spinoza | |
so oft diese Namen vorkamen. Es würde auffallen, wenn diese nicht richtig | ||
gedruckt wären. | ||
Das Buch Heinrich Heine u sw. werden Sie nun wol gelesen haben. Es sind | ||
offenbar zwei Menschen die es schrieben, und ist der Werth desselben dadurch | ||
20 | verringert. Der eine schreibt kräftig fast Burschikos. Es sind ohne Zweifel ein | |
Paar Studenten, die jedoch selbst nicht wißen was sie wollen und in der Haupt- | ||
sache unseres Glaubens sind. Sie haben aber noch keine Lebenserfahrung ver- | ||
stehen nicht zu sichten und machen daher ganz köstliche Pudel. | ||
Das Werk, wäre es zuvor von jemand der der Verhältniße kundig ist | ||
25 | durchgesehen worden, der dem Ganzen mehr Einheit, Richtigkeit und sw | |
gegeben hätte, dann würde es jener Parthei genutzt haben, das so nicht der | ||
Fall ist. | ||
Lesen Müßen Sie es jeden Falls; denn Sie allein werden nicht abgestraft, | ||
sondern Menzel, Laube, Lyser, Wienbarg, Herlossohn und Gott weiß wer | ||
30 | sonst noch, wird speziell für jeden serviert. Unter andern ist Wienbarg der | |
Sohn eines Schwertfegers und soll er der Verfaßer vom Adel seyn (Kahldorff) | ||
über seine Verhältniße in Kiel wird raisonirt. Genug darnach ist ein Autor | ||
kenntlich geworden, ein Cand. Juris aus Bramstaedt gebürtig, der kürzlich | ||
von Halle zurück hierdurch kam, und vor der Erscheinung sich mehr als Billig | ||
35 | um Wienbargs Verhältniße erkundigte! – So etwas tritt später vor das Ge- | |
dächtniß und wird nach und nach klarer. W rieth ich ietzt nicht darnach | ||
zu forschen. So ein junger Autor kann sich selten lange verbergen die Sucht zu | ||
glänzen spielt den Leuten Streiche und dann hat man sie so fest, daß sie einem | ||
nicht mehr desertieren können. W war sehr geneigt den Menschen auf | ||
Januar 1835 — HSA Bd. 24, S. 287 | ||
die Mensur zu laden. Wer der andere ist, d. denke ich in Halle herauszubringen, | ||
aber ich muß warten. | ||
Sie lesen die Allgemeine Zeitung. Die Artikel aus Halle haben Sie bemerkt? | ||
Diese sind von Jacoby, einem jungen Menschen, der die Bilder und Zustände | ||
5 | aus Berlin vor 2 Jahren erscheinen ließ. Der Artikel über die Verbindungen | |
auf Universitäten der die Wanderschaft durch alle deutsche Zeitungen machte, | ||
ist von ihm. Und eben über das Capitel schreibt er ein Buch, das er mir antrug. | ||
Ich habe schon eins darüber, das sich auszeichnet, aber mehr Studentenbilder | ||
aus den letzten 4 Jahren liefert, die rein aus dem Leben und der Wirklichkeit | ||
10 | gegriffen sind und daher kräftig dastehen. Auch deßen Verfaßer ist ein Student | |
der seine Memoiren zum besten giebt. | ||
Die Darstellung ist kunstlos, er erzählt treu und schildert das Hotel de | ||
Brühbach; berichtet jedoch dabei, daß die Deviese dieses Hauses seit dem | ||
Tode Brühbachs in – – (ich habe den Namen vergeßen) geändert seye. Auch | ||
15 | die Geschichte der Göttinger Revolution ist umständlich darin, wie ein Student | |
sie mitgemacht hat, und seine Fata in Jena zum besten giebt | ||
Ich werde Müde, daher lieber Heine, will ich schließen. Leben Sie wohl und | ||
behalten Sie in freundlichen Andenken | ||
Ihren | ||
20 | Julius Campe | |
Adresse | ||
Monsieur H. Heine | ||
Rue des petites Augustins | ||
à l'hôtel d'Espagne N 4 | ||
a | ||
Paris | ||