Hamburg d 1 Januar 1835 

 
 Mein lieber Heine!
   
15Das Neue Jahr ist eben verkündigt, ich will Ihnen den ersten Gruß zu diesem
 Feste bringen und Ihnen recht viel und herzliches Glück wünschen!
   Trocken saß ich und wollte nicht mit dem Glase in der Hand, sondern mit
 der Feder in den Fingern es erwarten, weil ich mit manchen Arbeiten im Rück-
 stande bin und das Rechnungswesen nun wie ein Wolkenbruch auf mich los
20stürtzt; ich muß also aufräumen, damit ich in den nächsten 3 bis 4 Wochen
 Erläuterung zu: Vom Salonfrei bin und nicht mehr nachzuholen brauche.
   Vom Salon habe ich ietzt erst 12 Bogen oder 192 Seiten in AushängeBogen
 empfangen. Wie empfindlich, wie unangenehm, wie verdrießlich und fatal es
 mir ist, das Buch nicht mehr in diesen verfloßenen oder geschloßenen Jahre
25ausgeben zu können, mag ich Ihnen nicht sagen! und was ist Ursache davon? –
 Nichts anderes, als die späte Sendung des Msptes! – Thuen Sie das in Zukunft
 niemals wieder; richten Sie das anders und so ein: wie der Gegenstand es er-
 fordert; ich habe stets durch die späte Austheilung den ausgemachtesten Nach-
 theil, dadurch, daß das ausgegebene Werk nicht in die Hände aller Kunden der
30verschiedenen Buchhandlungen wandert. Von großen Städten rede ich nicht
 sowohl, als den Leuten, die auf ihren Gütern oder an klein Orten leben, die
 nicht in täglicher Berührung einer Buchhandlung sind. Solchen Leuten kömmt
 es dann nur auf ausdrückliche Bestellung zu  G e s i c h t ,  und das thut nur ein
 kleiner, sehr kleiner Theil des Publicums. Denn versende ich wirklich im
35Decbr, ehe das an die entfernten Orte gelangt, ist der Januar fast verstrichen.
 
  Januar 1835 — HSA Bd. 24, S. 285
 
 Ende Februar wird für die Ostermeße schon remittiert; was nützt eine Frist
 von 6 bis 8 Wochen für den Absatz eines Buches, wohlverstanden in Deutsch-
 land, wo wir keinen Centralpunkt, wie London für England und Paris für
 Frankreich besitzen?
5  Bei diesem Buche habe ich nun das Loos, daß ich die Zahlung aller Kosten
 Honorar, Druck Papier u sw ietzt leisten muß und dafür, nach der einmal be-
 stehenden Usance, Oster Meße 1836 die Zahlung erst in Anspruch nehmen
 darf. Wäre ich ein reicher Mann, dann wäre mir das ganz gleichgültig, ob ich
 ein Jahr länger oder kürzer im Vorschuß stände. So aber bin ich das leider
10nicht, sondern nur durch eine vernünftige Benutzung meiner Mittel, durch ein
 ununterbrochenes Umwandeln derselben, daß ich diese rasch bewege, gelingt
 es mir, immer mobil zu seyn, und so stecken diese 3 000 Mark die der Band
 circa kostet auf eine gute Zeit  f e s t  gekeilt, das Sie so leicht hätten anders
 wenden können, wenn Sie nur einen Blick  m e i n e n  Verhältnißen gegönnt
15hätten! –
   
 Erläuterung zu: Ihr Wechsel  Ihr Wechsel Mark Banco 350. ist vorgekommen und bezahlt worden. Ihre
 Frei Exp. erhalten Sie durch Heideloff & Campe.
   Ihren Brief vom 29 Novbr erhielt ich, aber den darin angemeldeten umständ-
 Erläuterung zu: Ihren Brieflichen Brief erwarte ich noch, der mich mit Ihren Plänen für 1835 bekannt
20machen sollte. Ich erwarte diese, und Preßen und Papier harren des Winkes,
 wie ich bereit bin, auf die Hörner zu nehmen, was Sie zweckmäßig für die
 Gegenwart finden; Sie wißen wie es in Deutschland steht – es ist also über-
 flüßig auf diese Zustände hinzuweisen.
   Sie schrieben mir von einem Mspte von Bornstädt und lobten das Werk.
25Erläuterung zu: Mspte von Bornst###228;dtIch habe es empfangen und gehe eine Wette darauf ein, daß Sie es nicht gelesen
 haben; wenigstens hatten Sie es nicht gelesen, wie Sie jenes Urtheil schrieben.
   Es ist ein ganz ordinaires Werk; Beginnt so commun wie möglich mit den
 gewöhnlichsten Trivialitäten und beginnt erst genießbar zu werden, wie er in
 Algier Boden faßt. Eine Vorrede befindet sich dabei, ich mögte sie Ihnen des
30Spaßes wegen abschriftlich senden; und meinen Kopf setze ich zum Pfande,
 Sie haben so etwas noch nirgends an Gehaltlosigkeit und Nachläßigkeit ge-
 funden. Diese schreckt offenbar jeden ab, der die Lectüre zu beginnen Lust
 hat.
   Der Mann schickt mir das Mspt, schreibt auf das Cuvert »Mspt. 500 fr
35Werth« und frankiert nicht. – Mspt zahlt 4faches Porto, als  D o c u m e n t e ; 
 ich habe barbarisches Porto dafür zahlen müßen. Auf dem Zoll wollte man
 mich strafen, daß ich den Börsenpreis nicht davon angegeben hätte. Ich
 schickte das Mspt hin und bat, man möge es vom beeidigten Mackler taxieren
 
  Januar 1835 — HSA Bd. 24, S. 286
 
 laßen; ich wollte mich seiner Taxation unterwerfen. Man blickte hinein, lacht
 Erläuterung zu: den Bullüber den Bull und die Sache war beendigt.
   Der Autor hat nicht gesagt: ob er Honorar will und welches? Laßen Sie
 Sich gefälligst seine bescheidenen Ansprüche sagen, dann will ich das Opus
5mit den Augen betrachten, die dazu erforderlich sind und mein Entschluß
 soll rasch gefaßt seyn, denn in einen Briefwechsel laße ich mich deswegen
 nicht ein, dazu scheint es mir nicht genug und wenn der Herr Autor über Eng-
 land schreiben will, muß er anderes Zeug nehmen, sonst wird es nichts. Die
 Statistischen Notizen und derg. gehören mehr in einen Itinirair
10Erläuterung zu: Wienbarg  Dr Wienbarg hat sich an die Redaction der kritischen Blätter der Börsenhalle
 gemacht, die er weiter führt; Wurm ist ietzt abgetreten. Die Bogen so weit ich
 Erläuterung zu: Recensionsie habe hat Wienbarg bekommen, der gleich mit einer Recension hervor-
 rücken wird die dann aus andern Augen sehen wird, wie wenn sie von Wurm
 abgefaßt wäre.
15Erläuterung zu: In dem Mspte  In dem Mspte habe ich zB geändert Leipnitz in Leibnitz; Spinosa in Spinoza
 so oft diese Namen vorkamen. Es würde auffallen, wenn diese nicht richtig
 gedruckt wären.
 Erläuterung zu: Das Buch  Das Buch Heinrich Heine u sw. werden Sie nun wol gelesen haben. Es sind
 offenbar zwei Menschen die es schrieben, und ist der Werth desselben dadurch
20verringert. Der eine schreibt kräftig fast Burschikos. Es sind ohne Zweifel ein
 Paar Studenten, die jedoch selbst nicht wißen was sie wollen und in der Haupt-
 sache unseres Glaubens sind. Sie haben aber noch keine Lebenserfahrung ver-
 stehen nicht zu sichten und machen daher ganz köstliche Pudel.
   Das Werk, wäre es zuvor von jemand der der Verhältniße kundig ist
25durchgesehen worden, der dem Ganzen mehr Einheit, Richtigkeit und sw
 gegeben hätte, dann würde es jener Parthei genutzt haben, das so nicht der
 Fall ist.
   Lesen Müßen Sie es jeden Falls; denn Sie allein werden nicht abgestraft,
 sondern Menzel, Laube, Lyser, Wienbarg, Herlossohn und Gott weiß wer
30sonst noch, wird speziell für jeden serviert. Unter andern ist Wienbarg der
 Erläuterung zu: Verfa###223;er vom AdelSohn eines Schwertfegers und soll er der Verfaßer vom Adel seyn (Kahldorff)
 über seine Verhältniße in Kiel wird raisonirt. Genug darnach ist ein Autor
 Erläuterung zu: ein Cand. Juriskenntlich geworden, ein Cand. Juris aus Bramstaedt gebürtig, der kürzlich
 von Halle zurück hierdurch kam, und vor der Erscheinung sich mehr als Billig
35um Wienbargs Verhältniße erkundigte! – So etwas tritt später vor das Ge-
 dächtniß und wird nach und nach klarer. W rieth ich ietzt nicht darnach
 zu forschen. So ein junger Autor kann sich selten lange verbergen die Sucht zu
 glänzen spielt den Leuten Streiche und dann hat man sie so fest, daß sie einem
 nicht mehr desertieren können. W war sehr geneigt den Menschen auf
 
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 die Mensur zu laden. Wer der andere ist, d. denke ich in Halle herauszubringen,
 aber ich muß warten.
   Sie lesen die Allgemeine Zeitung. Die Artikel aus Halle haben Sie bemerkt?
 Erläuterung zu: JacobyDiese sind von Jacoby, einem jungen Menschen, der die Bilder und Zustände
5Erläuterung zu: Artikel ###252;ber die Verbindungenaus Berlin vor 2 Jahren erscheinen ließ. Der Artikel über die Verbindungen
 auf Universitäten der die Wanderschaft durch alle deutsche Zeitungen machte,
 Erläuterung zu: ein Buchist von ihm. Und eben über das Capitel schreibt er ein Buch, das er mir antrug.
 Erläuterung zu: schon einsIch habe schon eins darüber, das sich auszeichnet, aber mehr Studentenbilder
 aus den letzten 4 Jahren liefert, die rein aus dem Leben und der Wirklichkeit
10Erläuterung zu: ein Studentgegriffen sind und daher kräftig dastehen. Auch deßen Verfaßer ist ein Student
 der seine Memoiren zum besten giebt.
 Erläuterung zu: das Hotel de Br###252;hbach  Die Darstellung ist kunstlos, er erzählt treu und schildert das Hotel de
 Brühbach; berichtet jedoch dabei, daß die Deviese dieses Hauses seit dem
 Tode Brühbachs in – – (ich habe den Namen vergeßen) geändert seye. Auch
15Erläuterung zu: Geschichte der G###246;ttinger Revolutiondie Geschichte der Göttinger Revolution ist umständlich darin, wie ein Student
 sie mitgemacht hat, und seine Fata in Jena zum besten giebt
   Ich werde Müde, daher lieber Heine, will ich schließen. Leben Sie wohl und
 behalten Sie in freundlichen Andenken
 
Ihren
20
Julius Campe
   
  
Adresse
  Monsieur H. Heine
 Rue des petites Augustins
 à l'hôtel d'Espagne N 4
 a
 Paris